Doppelinterview Präsidentschaft Geothermie-Schweiz

«Ich stehe voll hinter der Vorwärtsstrategie meiner Vorgängerin Nathalie Andenmatten Berthoud»

08.12.2022

Barbara Schwickert ist an der ausserordentlichen Mitgliederversammlung von Geothermie-Schweiz in den Vorstand gewählt worden. Sie tritt nun die Nachfolge von Nathalie Andenmatten Berthoud als Präsidentin an, die den Verband ihrerseits seit mehr als drei Jahren präsidiert hatte. Die neue Präsidentin bewundert den Mut zur Vorwärtsstrategie ihrer Vorgängerin. Die scheidende Präsidentin ihrerseits hält die bestens vernetzte Barbara Schwickert für die Idealbesetzung. Das Gespräch mit Geothermie-Schweiz.

Die neue Präsidentin von Geothermie-Schweiz Barbara Schwickert, im Gespräch mit ihrer Vorgängerin Nathalie Andenmatten Berthoud.

Die neue Präsidentin von Geothermie-Schweiz Barbara Schwickert (rechts), im Gespräch mit ihrer Vorgängerin Nathalie Andenmatten Berthoud.

Nathalie Andenmatten und Barbara Schwickert, wann und wo sind Sie sich erstmals begegnet?
Nathalie Andenmatten:
Das war an einem Networking-Anlass von Swisspower diesen Frühling. Wir wurden einander vorgestellt und sie hat sogleich einen bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen mit ihren blitzenden, blauen Augen voller Energie. Gleichzeitig erkannte ich bei meinem Gegenüber ein hohes Mass an Intelligenz, eine grosse Gelassenheit und viel Erfahrung im Leben wie im Beruf.

Barbara Schwickert: Der gute erste Eindruck beruht definitiv auf Gegenseitigkeit – sonst wäre ich jetzt nicht hier (lacht). Nathalie tritt äusserst professionell auf. Ich habe diese ersten Gespräche sehr geschätzt.

Welche Rolle spielte diese erste Begegnung beim ganzen Auswahlprozess?
NA:
Damals wusste ich noch nicht, dass ich als Präsidentin von Geothermie-Schweiz noch im laufenden Jahr zurücktreten würde. Als ihr Name intern fiel – der Vorschlag kam von unserem Vorstandsmitglied Marcel Schweizer – war mir sofort klar: Sie passt perfekt auf das von uns gesuchte Profil.

Was macht Barbara Schwickert zur Idealbesetzung aus Ihrer Sicht?
NA:
Zunächst einmal mussten wir das Pflichtenheft für das Präsidium neu definieren. Ich war in den letzten Jahren auch operativ nah dabei. Ich wollte und konnte mein fachliches Know-how zur Verfügung stellen und bei der Professionalisierung des Verbandes mithelfen. Das haben wir geschafft. Ich bin überzeugt, dass wir einen guten Weg eingeschlagen haben. Mit Cédric Höllmüller und Jérôme Faessler verfügen wir über eine Co-Geschäftsleitung, die sich ideal ergänzt und das operative Geschäft stemmen kann. Damit einher ging für mich ein verändertes Rollenverständnis für die Präsidentschaft: Der Fokus sollte künftig weniger auf das Operative sein. Wir suchten eine erfahrene Person, die im Bereich Energie und bei den Städten bestens vernetzt ist. Und mit Barbara haben wir genau die Person gefunden, die der Verband jetzt braucht. Was auch eine Rolle gespielt hat: Sie ist eine Frau. Sonst wäre der Vorstand nur aus Männern zusammengesetzt.

Wie wichtig ist es für Sie beide, eine angemessene Vertretung von Frauen zu haben – nicht nur für Geothermie-Schweiz, sondern auch für die Energiewende allgemein?
NA:
Für mich sollte das mittlerweile selbstverständlich sein. Stellt man Gremien wie einen nationalen Verbandsvorstand zusammen, achtet man auf Ausgewogenheit. Die angemessene Vertretung von Regionen und Sektoren wird nicht in Frage gestellt. Dasselbe sollte für die Repräsentierung von Frauen auch gelten. Aber man muss es auch wollen.

BS: Auch ich habe schon feststellen müssen: Das geht nicht von allein. Geothermie-Schweiz kann jetzt aber einen wichtigen Schritt in diese Richtung machen und eine Vorbildsfunktion für die ganze Branche einnehmen. Die Mitglieder sind an der Versammlung Anfang Dezember dem Antrag des Vorstands gefolgt und haben die Obergrenze des Vorstands nun auf 15 Personen erhöht. Das gibt wesentlich mehr Handlungsspielraum für die Zusammensetzung.


Barbara Schwickert:
«Im Verband ist ein starker Wille da, sich weiterzuentwickeln, professioneller zu werden, mehr Mittel zu beschaffen. Diese Dynamik schätze ich ungemein!»


Barbara Schwickert, wie lief der Kontakt zu Geothermie-Schweiz in den letzten Monaten aus Ihrer Perspektive? Was hat Sie letztlich bewogen, Ja zu sagen?
BS: Die Anfrage hat mich zunächst einmal erstaunt und auch geehrt. In den Gesprächen mit Nathalie habe ich schnell einmal gemerkt, wie spannend diese Aufgabe ist. Einerseits interessiert mich die Energieform. Ich stehe voll hinter der Geothermie und möchte mithelfen, sie voranzubringen. Andererseits habe ich von Anfang an eine grosse Dynamik verspürt im Verband, den Willen, sich weiterzuentwickeln, professioneller zu werden, mehr Mittel zu beschaffen. Es ist immer spannend, bei einem Verband in einer solchen Phase dabei zu sein. Da ist viel Entwicklungspotenzial vorhanden. Das reizt mich. Ich kann mich nicht in ein gemachtes Nest setzen und habe heute, kurz nach meiner Wahl, keine Ahnung, wo der Verband in zwei Jahren steht.

Sie sind neu in der Branche. Welche neuen Erkenntnisse zur Geothermie haben Sie bereits gewonnen?
BS:
Es laufen viel mehr Projekte, als ich gedacht habe. Auch gibt es einige Anwendungsmöglichkeiten der Geothermie, die mir vorher nicht bewusst waren – wie zum Beispiel die Möglichkeiten zur Wärme- und Kältespeicherung.

Noch nehmen Sie eine Aussenperspektive ein. Wie nehmen Sie den Verband wahr?
BS:
Der Verband ist schon heute sehr gut vernetzt. Mit anderen, verwandten Verbänden, mit den Bundesämtern. Wo es noch etwas fehlt, ist die Vernetzung mit Städten und Stadtwerken. Ich kenne die Mechanismen im Zusammenspiel zwischen diesen Akteuren sehr gut und kenne auch viele Leute, die dort wirken. Da kann ich sicher persönlich ansetzen und helfen, diese Türen für Geothermie-Schweiz zu öffnen.

Was schätzen Sie konkret an der bisher geleisteten Arbeit Ihrer Vorgängerin?
BS:
Ich nehme die Arbeit von Nathalie als sehr professionell wahr. Im Gespräch mit ihr merkt man sofort: Sie weiss, wovon sie spricht. Für den Verband war es in dieser Phase enorm wichtig, mit Nathalie eine solche Fachperson an der Spitze zu haben. Ich bewundere ihren Mut zur Vorwärtsstrategie des Verbandes. Natürlich konnte sie diesen Weg nicht allein gehen, dafür braucht es auch den Vorstand. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Nathalie viel Überzeugungsarbeit beim Vorstand geleistet hat. Der Schritt an die Öffentlichkeit und die Vorwärtsstrategie waren wichtig für die Weiterentwicklung des Verbands. Heute ist Geothermie-Schweiz kein «Klub von Spezialisten» mehr. Der Verband will mehr sein und das ist auch richtig so.

Nathalie Andenmatten, wie kommen die Worte von Barbara Schwickert bei Ihnen an?
NA:
Diese Wertschätzung macht natürlich Freude. Sie geben mir eine weitere Bestätigung für die geleistete Arbeit in den vergangenen Jahren. Die Vorwärtstrategie war ein Entscheid mit langfristigen Konsequenzen. Damals war der Ausgang noch völlig offen. Jetzt ist der Verband mehrere Schritte weiter. Ich gebe zu: Es gab Phasen, in denen ich nicht immer gut geschlafen habe. Seit der Verband Angestellte beschäftigte, erhöhte sich der Druck, mehr finanzielle Mittel zu sichern. Es lastete mehr Verantwortung auf meinen Schultern. Aber ich habe nie an der Richtigkeit des Entscheides gezweifelt. Die Zeit der Geothermie kommt, und sie kommt jetzt.

Fällt da der Abschied von der Geothermie gerade jetzt nicht schwer?
NA:
Doch, natürlich, auch wenn ich in meiner neuen Funktion bei Swisstopo nicht allzu weit weg von der Geothermie sein werde. Es wird viel passieren in den nächsten Jahren und es schmerzt ein wenig, bei Geothermie-Schweiz nicht mehr an Bord dabei zu sein.

Und Sie unterstützen diese Vorwärtsstrategie, Barbara Schwickert?
BS:
Auf jeden Fall, ich stehe voll dahinter. Ich möchte gemeinsam mit dem Vorstand und den Co-Geschäftsleitern diesen eingeschlagenen Weg auch fortsetzen.

Der Präsidentinnen-Wechsel ist auch eine gute Gelegenheit für Rück- und Ausblicke. Wenn Sie kurz Bilanz ziehen zu Ihrer Präsidentschaft – was macht Sie besonders stolz?
NA:
Die Geothermie wird heute wahr- und ernstgenommen. Zu den Veranstaltungen des Verbands kommen viel mehr Leute, es kommen Anfragen für Vorträge und Interviews, auch in den Medien wird vermehrt über die Geothermie berichtet. Das war bei meinem Amtsantritt 2019 anders. Ich finde, der Unterschied ist deutlich. Persönlich ist das natürlich sehr befriedigend.


Nathalie Andenmatten Berthoud:
«Lange waren die Türen für die Geothermie zu. Jetzt sind viele offen!»


Die Bereitschaft von Verbänden, Organisationen und Akteuren aus der Industrie ist jetzt also höher, mit Geothermie-Schweiz zusammenzuarbeiten?
NA:
Auf jeden Fall. Die Energiewelt ist allgemein viel offener und durchlässiger geworden. Es gibt weniger Alleingänge, es werden vermehrt gemeinsame Lösungen und Synergien angestrebt. Für die Geothermie heisst das: Lange waren die Türen zu, jetzt sind viele offen. Das ist schön, birgt aber auch Gefahren. Entscheidend wird es sein, die Kräfte zu bündeln. Geothermie-Schweiz wird dabei lernen müssen, auch einmal nein zu sagen und sich nicht verleiten lassen, alles machen zu wollen. Das geht nicht.

BS: Diesen Ball nehme ich gerne auf. Es gehört auch zu meinem persönlichen Rollenverständnis, strategische Prioritäten zu setzen. Wir müssen unsere Ressourcen dort einsetzen, wo sie am meisten Wirkung entfalten.

Wie kann und muss sich der Verband noch weiterentwickeln?
BS:
Wir werden den eingeschlagenen Weg fortsetzen und die Finanzierung auf ein wirklich solides Fundament stellen. Wir brauchen eine fixe Administrationsstelle, um die Co-Geschäftsführer zu entlasten. Heute fallen zu viele administrative Tätigkeiten bei ihnen an. Dabei sollten sie sich auf ihr Kerngeschäft fokussieren und durch die Entwicklung des Verbandes auch die Entwicklung der Branche vorantreiben. Das schaffen wir, indem wir echte, bedarfsgerechte Dienstleistungen für Mitglieder entwickeln und anbieten.

NA: Das wiederum wird die Mitgliedschaft bei Geothermie-Schweiz attraktiver machen. Mehr Mitglieder bedeuten mehr finanzielle Mittel. Diese solide Basisfinanzierung fehlte bisher. Geothermie-Schweiz musste immer viel Aufwand und Ressourcen in die Finanzierung stecken, und damit war der Verband in der Vergangenheit zu oft mit sich selbst beschäftigt. Auch unter diesem Aspekt haben wir den Mitgliederbeitrag erhöht. Nur so bringen wir den Verband entscheidend voran.

Welche Dienstleistungen kann der Verband seinen Mitgliedern anbieten?
NA:
Geothermie-Schweiz hat in den vergangenen Jahren die politische Lobbyarbeit intensiviert und Aus- und Weiterbildungsangebote auf die Beine gestellt. Diese Dienstleistungen müssen fortgesetzt und ausgebaut werden. Im Rahmen des Programms Transfer haben wir bereits Bedarf für viele weitere, potenzielle Aktivitäten von Geothermie-Schweiz ermittelt, um die Mitglieder zu unterstützen. Worauf der Verband in den nächsten Jahren den Fokus legt, wird Aufgabe meiner Nachfolgerin, des Vorstandes und der Co-Geschäftsleiter sein.

BS: Für mich kommt diese Frage noch etwas zu früh und ich kann keine belastbare Aussage dazu machen. Ich identifiziere aber generell noch ein Defizit beim Image der Geothermie, wo ich ansetzen möchte. Verbessern wir das Image der Geothermie, erleichtern wir die Geschäftstätigkeit unserer Mitglieder. Ich erachte das als eine Aufgabe des nationalen Verbandes.

Wie erreicht der Verband diese Imageverbesserung?
BS:
Mit gezielter Kommunikation. All diese Projekte und Anwendungsmöglichkeiten der Geothermie, die ich selbst in den vergangenen Wochen kennenlernen durfte – das müssen wir noch aktiver kommunizieren! In der Fachpresse ist die Geothermie definitiv angekommen. Aber in der Kantonspolitik und in der breiten Öffentlichkeit nimmt die Geothermie – zumindest in der Deutschschweiz – noch nicht diese Rolle ein, wie wir gerne möchten. Man liest beim Thema Strom viel mehr über Wasser-, Wind- und Solarkraft. Und auch bei grossen Wärmeprojekten stehen eher Holzschnitzel oder Seewassernutzung im Vordergrund und nicht die Geothermie. Das ist schade.

NA: Viel hängt vom Umgang mit den Risiken zusammen, welche Unterstützung Bund und Kantone hier leisten und wie wir die verbleibenden Risiken kommunizieren. Fehlschläge gehören bei Bohrungen dazu. Ein wichtiger Player – und damit spanne ich den Bogen zu meiner neuen Tätigkeit – wird Swisstopo sein. Ich interpretiere die Rolle meines Bundesamtes aktiv. Wir können das Feld beziehungsweise den Untergrund nicht einfach der Wirtschaft überlassen. Im Gegenteil: Wir müssen den Untergrund sichtbar machen, Risiken minimieren und so das Terrain für die Wirtschaft vorbereiten, welche dann die konkreten Geothermie-Projekte umsetzen wird.

Das Schlusswort gebietet der scheidenden Präsidentin. Welchen Wunsch möchten Sie Ihrer Nachfolgerin mit auf den Weg geben?
NA:
Ich wünsche ihr eine intensive Zeit mit vielen Glücksgefühlen. Wenn man eine solche Intensivität spürt, dann ergibt die Tätigkeit einen Sinn. Ich bin mir sicher, dass Barbara dies bei Geothermie-Schweiz finden und erleben wird!


Das sagt Nathalie Andenmatten Berthoud über ihre Nachfolgerin:
«Barbara versprüht viel Energie und Intelligenz und wirkt dabei sehr gelassen. Sie ist sehr gut im Bereich Energie und Städte vernetzt und ausgesprochen erfahren. Ein perfekter Match für Geothermie-Schweiz!»

Das sagt Barbara Schwickert über ihre Vorgängerin:
«Ich bewundere den Mut von Nathalie zur Vorwärtsstrategie. Sie hat viel Überzeugungsarbeit geleistet und die Geothermie stärker und vor allem positiv in den Fokus der Öffentlichkeit gebracht.»


 

Barbara Schwickert
Nach einer Ausbildung zur Kindergärtnerin und Hortleiterin arbeitete sie während über zehn Jahren als Journalistin und Redaktorin für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften. Dann schloss sie ein Nachdiplomstudium für Management von Nonprofit-Organisationen ab. Sie wirkte dann sieben Jahre als Geschäftsleiterin der Volkshochschule Region Biel-Lyss und danach des Schweizerischen Volkshochschulverbandes. Von 2009 bis 2020 war sie als Gemeinderätin in der Exekutive der Stadt Biel als Direktorin Bau, Energie und Umwelt tätig. Seit November 2021 ist sie Co-Geschäftsleiterin des Trägervereins Energiestadt und Mitglied der Geschäftsleitung bei ENCO AG. Auch ist sie Mitglied in mehreren Verwaltungsräten, eines Stiftungsrates und Präsidentin einer Solar-Genossenschaft.Barbara Schwickert wurde im Dezember 2022 in den Vorstand von Geothermie-Schweiz als Präsidentin gewählt.
Nathalie Andenmatten Berthoud
Die Geografin und Erdwissenschafterin schloss 1999 ihre Studien an der Universität Genf ab. Weitere Studien in Geologie und Umweltwissenschaften führten sie an die EPFL, an die Ecole des Mines in Paris, an die Universität Liège und ans Polytechnikum Montréal. Nach ihrer Ausbildung arbeitete Nathalie Andenmatten an der ETH Zürich und als Geologin bei der Geowatt AG. Zwischen 2004 und 2013 beschäftigte sie sich bei der Rückversicherungsgesellschaft New Re, einer Tochtergesellschaft von Munich Re, mit Risiko- und Schadensanalysen. 2013 übernahm Andenmatten beim Kanton Genf die Leitung des Programms Tiefengeothermie. Seit November 2022 ist sie Leiterin der Landesgeologie.Seit 2014 ist Nathalie Andenmatten Vorstandsmitglied von Geothermie-Schweiz. Von 2019 und bis September 2022 war sie Präsidentin.
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