Geostrukturen

Geothermische Paneele nutzen Wärme und Kälte von bestehenden Infrastrukturen

06.07.2022

Ein Spin-Off der Eidgenössisch Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) hat eine innovative Lösung für die Wärme- und Kältenutzung von bestehenden, unterirdischen Infrastrukturen entwickelt. Das Start-Up «Enerdrape» hat geothermische Paneele konstruiert, die in Parkhäusern, Tunneln oder U-Bahn-Stationen installiert werden können. Enerdrape hat für diese Lösung bereits mehrere Preise gewonnen – so auch kürzlich den Grossen Preis der «Venture» Stiftung.

Die Idee von Enerdrape ist bestechend einfach: Energie direkt von bestehenden Gebäuden im Untergrund nutzen. Geothermische Paneele verwandeln jede unterirdische Infrastruktur – Tunnel, Parkhäuser oder U-Bahn-Stationen – in eine Wärme- oder Kältequelle für die darüber liegenden Gebäude. In den 140×70 Zentimeter grossen Paneelen sind mehrere Schichten von Rohren eingebettet, durch die Wasser zirkuliert. Diese vorgefertigten Paneele verwandeln die unterirdischen Flächen also in Wärmetauscher – eine erneuerbare Energielösung, die regional hergestellt und vermarktet werden kann.

 

Potenzial von bestehenden Geostrukturen nutzen
Bislang werden erst die Strukturen von Neubauten für die Wärme- und Kälteproduktion genutzt. Handelt es sich bei den neu entwickelten geothermischen Paneelen um eine Nischenanwendung? Die Frage geht an Margaux Peltier, CEO von Enerdrape. «Überhaupt nicht», sagt sie entschieden. «Das energetische Potenzial von unterirdischen Infrastrukturen ist riesig. Nur wird das bisher noch wenig genutzt. Wir haben erkannt, dass die aktuellen Lösungen nur für Neubauten geeignet sind. Sie erlauben es nicht, bestehende unterirdische Infrastrukturen zu nutzen. Wir von Enerdrape möchten das ändern.»

Enerdrape wurde im Jahr 2021 im Bodenmechanik-Labor der EPFL gegründet. Der Name ist eine Zusammenziehung der englischen Wörter «energy» und «drape», d.h. eine Abdeckung, die Wärme erzeugt. Das Projekt ist das Ergebnis der Expertise von Professor Lyesse Laloui im Bereich Geoenergie, der Erfahrung von Dr. Alessandro Rotta Loria im Bereich Geothermie und der Masterarbeit von Margaux Peltier über Energietunnel.

Pilotinstallation mit 10 Paneelen
Nachdem zunächst ein Prototyp an der EPFL zum Einsatz gelangte, ist seit mehreren Monaten eine grössere Pilotinstallation mit zehn Paneelen in einem Lausanner Parkhaus installiert. Die von der Anlage gelieferte Energie wird zwar noch genutzt, die gesammelten Daten sind aber aufschlussreich und vielversprechend. Im Mittel werden pro Quadratmeter 150 Watt erreicht. Das würde reichen, um 7 m2 Minergie-Wohnfläche mit Wärme zu beliefern. Der weitaus grösste Teil der Wärmeenergie – rund 85 Prozent – wird direkt aus der Betonwand entnommen, während die Umgebungsluft nur etwa 15 Prozent ausmacht. Damit hat Enerdrape der Tatbeweis erbracht, dass die Energie in den Paneelen auch tatsächlich aus dem Boden kommt – eine neue, geothermische Anwendung ist geboren. Warum niemand sonst die eigentlich naheliegende Idee des Enerdrape-Teams umgesetzt hat, kann sich Margaux Peltier nur vage erklären. «Vielleicht lag der Fokus der Forschung in den letzten Jahren einfach bei der Tiefengeothermie und man erkannte nicht, dass auch in der oberflächennahen Geothermie noch Innovationspotenzial steckt.»

CEO Margaux Peltier nach der Preisverleihung für den «Venture Grand Prize» – passenderweise in einem Parkhaus. Träger der Stiftung Venture sind die ETH Zürich, die EPF Lausanne, Innosuisse, McKinsey & Company sowie die Knecht Holding.

Das Produkt auf den Markt bringen
Als nächstes strebt Enerdrape die Marktreife des Produkts an. Alle bislang eingesetzten Paneele sind von Hand gefertigt worden. Einen potenziellen Partner für die Massenproduktion hat Enerdrape in Italien identifiziert. So werden die Kosten pro Paneel entscheidend gedrückt. «Wir haben jetzt eine klare Vision, einen klaren Plan. Die erhaltenen Preise bestärken uns auf unserem Weg und helfen uns auch finanziell», betont Margaux Peltier. «So können wir unser Team vergrössern, neue Talente gewinnen, erste Projekte umsetzen und das Produkt endlich auf den Markt bringen!»

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