Geothermie und Gesellschaft

«Geothermie-Kommunikation ist Knochenarbeit»

30.01.2019

In der Schweiz muss der gesellschaftliche Kontext eines Geothermie-Projekts stärker gewichtet werden. Zu diesem Schluss kommt Olivier Ejderyan von der ETH Zürich. Entscheidend für den Projekterfolg ist unter anderem ein wirklicher Einbezug der Bevölkerung und das Aufzeigen eines lokalen Nutzens.

Olivier Ejderyan, wie schätzen Sie ganz generell die Akzeptanz für die Geothermie in der Schweizer Bevölkerung ein?
Da gilt es zu differenzieren. Die Geothermie als Energieform wird überwiegend positiv wahrgenommen, in der Romandie noch etwas stärker als in der Deutschschweiz. Die positiven Argumente – einheimische Ressource, Reduktion CO2 und damit verbunden ein Beitrag zur Energiestrategie 2050 – wiederspiegeln sich auch in der Medienberichterstattung. Interessanterweise überwiegen negative Aspekte – allen voran die Risiken – in der Berichterstattung, wenn konkrete Projekte thematisiert werden.

Warum ist das so?
Im Zusammenhang mit der Geothermie denken viele Leute nach wie vor an Basel und St. Gallen. Den Vergleich zu diesen Projekten ziehen auch die Medien immer wieder. Es findet ein sogenanntes «Framing» statt. Konkret heisst das, die Medien geben von Anfang an einen Rahmen für die Debatte vor. Innerhalb dieses Rahmens gewichten in diesem Beispiel die Menschen das Erdbebenrisiko überproportional stark.

Was raten Sie also den Initianten von Geothermie-Projekten? Wie lässt sich ein solches Framing vermeiden?
Vermeiden lässt es sich nicht, denn die Beispiele von Basel und St. Gallen sind gegeben. Es wäre sicher hilfreich, wenn in den kommenden Jahren mitteltiefe und tiefe Geothermie-Projekte erfolgreich umgesetzt würden. Dann bin ich überzeugt, dass die Akzeptanz für die Geothermie deutlich zunehmen wird. Matchentscheidend bei den nächsten Projekten ist die Kommunikation. Es reicht eben nicht, nur das Projekt vorzustellen und die allgemeinen Vorteile der Geothermie hervorzuheben. Der Kontext muss analysiert werden und entsprechend wird auch der Fokus der Kommunikation verschoben.

In Ihrem Beitrag heben Sie genau diese «Rolle des Kontextes» besonders hervor. Was verstehen Sie darunter?
Ein Geothermie-Projekt in der Region A entfaltet in der Planungsphase womöglich eine ganz andere Wirkung als ein technisch identisches Projekt in der Region B. Warum? Weil der Kontext ein völlig anderer ist. Zum Beispiel haben die Menschen in der Region B bereits negative Erfahrungen mit einem ganz anderen Projekt gemacht, sie fühlen sich nicht ernst genommen, sehen keinen Nutzen für sich und für die Region. Sie haben kein Vertrauen in die Leute, die für das Projekt werben, und trauen den Expertenmeinungen nicht. Vor diesem Hintergrund ist es ungemein schwieriger, die Akzeptanz für ein Geothermie-Projekt zu erhöhen.

Nebst der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit sollte also möglichst früh auch die gesellschaftliche Machbarkeit, der Kontext, geprüft werden. Welche Empfehlungen haben Sie für diesen Prozess?
Es braucht Identifikationsfiguren, die vor Ort präsent sind und mit den Leuten reden. Und – noch wichtiger – zuhören: was beschäftigt die Leute? Was wollen sie, was wollen sie nicht? Was stört sie an einem solchen Projekt? Welchen Nutzen erwarten sie? Unser Beitrag zeigt auf, dass die Mitwirkung der Bevölkerung für den Erfolg eines Projekts wichtig ist. Mitwirkung heisst nicht, dass die Menschen über jedes Detail mitbestimmen möchten, aber sie wollen ihre Meinung sagen sowie frühzeitig, immer wieder und ehrlich informiert werden. Das ist Knochenarbeit und nicht an einem Informationsabend zu erledigen. Und: es braucht die nötige Sensibilität.

Sie haben mehrfach den Nutzen für die Menschen vor Ort angesprochen. Welchen Aspekt könnte man bei der Geothermie zum Beispiel in den Vordergrund rücken?
Zum Beispiel den direkten Wärmeverbrauch vor Ort. Wenn bei einem Tiefengeothermie-Projekt nur von der Stromproduktion die Rede ist, dann haben die Menschen in der Region nicht viel davon. Das oft vorgebrachte Argument im Zusammenhang mit der erneuerbaren Energieerzeugung, der «Beitrag zur Energiestrategie 2050» interessiert die Leute bei einem konkreten Projekt nicht. Aus ihrer Optik bleiben ihnen nur Nachteile – und der Strom fliesst woanders hin. Ganz anders bei der Wärmeproduktion. Diese wird lokal geholt und auch lokal verbraucht. Da sehen die Menschen einen direkten Nutzen für sich und die Region. Diesen Nutzen zu identifizieren und zu vermitteln, das ist ein Schlüssel für den Erfolg eines Projekts.

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