Geothermie in Finnland

Erfolgreiche hydraulische Stimulationen bei EGS-Projekt

19.12.2018

Der finnische Energieversorger st1 will zukünftig die emissionsfreie Geothermie für die Energieversorgung nutzen. Das Pilotprojekt ist in rund 6’500 m Tiefe im kristallinen Gestein unter der Stadt Espoo nahe Helsinki geplant. Nach der ersten Bohrung konnten die hydraulischen Stimulationsmassnahmen zur Erschliessung der geothermischen Ressource im Jahr 2018 erfolgreich durchgeführt werden.

Der finnische Energieversorger st1 hat in Espoo, der mit rund 275’000 Einwohnern zweitgrössten Stadt Finnlands, ein EGS Projekt forciert. Zukünftig soll ein 40 MW Heizwerk Wärme in ein Fernwärmenetz einspeisen. Die erste Bohrung ist erfolgreich abgeschlossen worden. Mit rund 6’500 m Tiefe ist die Bohrung die bislang tiefste in Finnland. Weltweit erreichen nur drei Forschungsbohrungen grössere Tiefen. Die ersten 4’500 m erfolgten hierbei unter Einsatz eines innovativen Luft-Hammer Bohrverfahrens. Mithilfe der neuen Bohrtechnologie konnte im kristallinen Gestein ein verbesserter Bohrfortschritt erzielt werden.

Bohrplatz und Bohrturm im finnischen Espoo (Quelle St1 Deep Heat Ltd.)

Bohrplatz und Bohrturm im finnischen Espoo (Quelle St1 Deep Heat Ltd.)

Schaffung eines Wärmetauschers im Festgestein
Um die geothermische Wärme aus festem Gestein erschliessen und nutzen zu können, muss in der Tiefe eine Art Wärmetauscher geschaffen werden, durch den zwischen zwei Bohrungen Wasser fliessen kann. St1 schloss die hierfür notwendigen hydraulischen Stimulationsmassnahmen Ende Juli 2018 erfolgreich ab.

Der durchgeführte Stimulationstest hat bewiesen, dass Wasser durch das harte finnische Gestein gepumpt werden kann. Das Auslösen induzierter Mikrobeben ist hierbei grundlegender Bestandteil dieser Technologie. Deren Aufzeichnung ermöglicht, das Wachstum des Reservoirs in der Tiefe zu beobachten und darauf basierend den Verlauf der zweiten Bohrung für die Fertigstellung des Wasserkreislaufes zu planen.

Hydraulische Stimulation unter behördlicher Aufsicht erfolgreich abgeschlossen
Während der Stimulationsphase pumpten Experten von St1 Wasser in das Bohrloch und überwachten diesen Prozess mit unterirdischen Geophonen, die im Stadtgebiet installiert sind. Darüber hinaus verwendete das Institut für Seismologie der Universität Helsinki eigene Geophone, um die Stimulation unabhängig zu überwachen. Das Institut ist zudem für die regulatorische Überwachung des Projektes zuständig. Das stärkste Mikro-Erdbeben erreichte eine Magnitude von 1,9. Die Behörden haben die Grenzwerte für die Mikro-Erdbeben auf ein viel niedrigeres Niveau festgelegt, als sie beispielsweise bei Sprengungen verwendet werden. Innerhalb dieser festgelegten Grenzen wurde die Stimulation kontrolliert und sicher durchgeführt, ohne eine Gefahr für Menschen oder Schäden an Strukturen zu verursachen. Die Grenzwerte waren so niedrig angelegt, da sich das Projekt in der Stadt Espoo im Grossraum von Helsinki befindet. Störende Auswirkungen sollen durch die niedrigen Grenzwerte minimiert werden und eine rasche Reaktion im Bedarfsfall möglich sein.

Skizze der Bohrungen des finnischen EGS Projektes im kristallinen Untergrund (Quelle: St1 Deep Heat Ltd.).

Skizze der Bohrungen des finnischen EGS Projektes im kristallinen Untergrund (Quelle: St1 Deep Heat Ltd.).

Geräusche beobachtet und aufgezeichnet
Überraschend waren die Lärmgeräusche, welche die Stimulationsmassnahmen begleiteten. Die Entstehung der Mikro-Erdbeben war als entferntes Grollen und Klopfen hörbar, das von der Bevölkerung ähnlich Gewehrschüssen wahrgenommen wurde. Die Anwohner haben wertvolle Informationen über den entstehenden Lärm geliefert. In der Mitte der Stimulationsarbeiten begannen zudem auch akustische Messungen in der Region Laajalahti und in Munkkiniemi. Basierend auf den Beobachtungen der Anwohner, wurden Instrumente für die Schall- und Schwingungsmessung an Orten wie dem Keller und dem Dach eines Hauses in Munkkiniemi angebracht. Zudem wurden auch Messinstrumente in der Tonschicht von Pikku Huopalahti installiert. Die gemessenen Vibrationspegel am Boden waren niedrig. Sie erreichten nur 1/100 des Niveaus, das bei Sprengarbeiten gemessen wurde. Sie sind damit weit entfernt vom tatsächlichen Niveau, das Schäden an den Gebäuden verursachen könnte. Auch die Lärmmessungen lagen während des gesamten Projekts deutlich unter den Richtlinien des Ministeriums für Soziales und Gesundheit.

Internationale Bedeutung
Ein internationales Team aus 25 Experten arbeitete während der Stimulationsarbeiten rund um die Uhr im Schichtbetrieb auf der Bohrstelle in Espoo. Das Projekt nutzt die beste internationale Expertise und Erfahrung aus früheren Projekten. Die Ergebnisse des finnischen EGS Projektes werden ihrerseits die Entwicklung zukünftiger EGS-Projekte weiter optimieren. Der Projektfortschritt wird daher aus allen Teilen der Welt mit Interesse verfolgt. Auch die Schweizer Geo-Energie Suisse AG steht in Kontakt mit den finnischen Projektentwicklern und hat die Arbeiten vor Ort besichtigt. In Finnland erfolgten die hydraulischen Stimulationsmassnahmen erstmals abschnittsweise, ein Konzept, das dem Multi-Stage-Stimulationssystem der Geo-Energie Suisse AG entspricht.

Gegenwärtig werden die gesammelten Daten aus der Stimulationsphase weiter ausgewertet. Gleichzeitig wird aufgrund der Erfahrungen bei der ersten Bohrung auch die Bohrtechnologie weiter optimiert. 2019 wird in der Zeitschrift Science eine Publikation über das finnische EGS Projekt erscheinen. Die bisherigen Ergebnisse werden darin erstmals detailliert beschrieben. Nähere Informationen sind auch auf der Projekt Webseite zu finden: https://www.st1.eu/geothermal-heat

Geo-Energie Suisse Geschäftsführer Peter Meier und Verwaltungsratspräsident Daniel Schafer informieren sich vor Ort auf der Bohrstelle in Finnland (Quelle: Geo-Energie Suisse AG)

Geo-Energie Suisse Geschäftsführer Peter Meier und Verwaltungsratspräsident Daniel Schafer informieren sich vor Ort auf der Bohrstelle in Finnland (Quelle: Geo-Energie Suisse AG)

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