Programm Transfer

«Wenn der Kuchen grösser wird, können sich alle ein grösseres Stück abschneiden»

20.08.2021

Cédric Höllmüller ist seit einem guten Jahr Leiter des Programms Transfer. Der Netzwerker hat seine Aufgabe mit Begeisterung angepackt und unter anderem die Plattform www.connect4geothermal.ch aufgebaut. Welchen Nutzen sie für die Akteure und für die Entwicklung der Geothermie in der Schweiz hat und wie sie mit dem Geothermie-Forum zusammenhängt, erklärt er im Interview.

Cédric Höllmüller, auch wenn es schon eine Weile her ist – wie haben Sie damals diese anspruchsvolle Aufgabe angepackt?
Zunächst einmal habe ich von Anfang an sehr viele Gespräche mit den Akteuren aus der Branche geführt. Es ist wichtig, verschiedene Sichtweisen und Meinungen kennenzulernen und sich nicht nur auf wenige Personen zu konzentrieren. So habe ich mir rasch ein Netzwerk aufgebaut und dieses über das vergangene Jahr gepflegt und immer weiter ergänzt. Das ist für die erfolgreiche Umsetzung des Programms eine zwingende Voraussetzung. Ich verstehe meine Aufgabe darum nicht nur als Leiter eines Programms, sondern auch als «Netzwerkanimator». Ich will die Kontakte auch zwischen den anderen Akteuren animieren und somit dazu beitragen, die Geothermie zu entwickeln.

Wie sieht es mit dem Fachwissen aus? Sie kamen vorher ja nicht aus der Branche.
Auch darum habe ich früh die Gespräche mit Experten gesucht, gleichzeitig Fachliteratur gelesen und ich nutze aktiv Internet und die Social-Media-Plattform LinkedIn, um mit vielen Akteuren auszutauschen. So bin ich in die Geothermie hineingewachsen. Mir kam zudem meine langjährige Erfahrung im Wissens- und Technologietransfer sowie meine Ingenieursausbildung zugute. So verstehe ich Innovationsprozesse wie auch technische und physikalische Zusammenhänge, auch wenn ich kein Geologe und kein Energiespezialist bin.

Kurz nach Ihrem Start vor einem Jahr haben Sie unter anderem den Eindruck geschildert, dass es nicht DIE Geothermie-Community in der Schweiz gebe. Hat sich dieser Eindruck bestätigt?
Auf jeden Fall. Es existieren verschiedene Teil-Communities, und die verschiedenen Akteure bewegen sich meist auch innerhalb dieser Teilsysteme, treten untereinander kaum in Kontakt. Dabei verfolgen natürlich alle ihre Eigeninteressen und wollen ihr Stück vom Kuchen bewahren. Das meine ich nicht als Kritik, das ist völlig normal. Genau an diesem Punkt setzt Geothermie-Schweiz ja mit dem Programm Transfer an. Es geht darum, sich auszutauschen und die gemeinsamen, übergeordneten Probleme und Herausforderungen an den Schnittstellen zu identifizieren, um das Gesamtsystem zu optimieren. Und wenn wir schon beim Kuchen sind: Wenn der Kuchen grösser wird, können sich alle ein grösseres Stück abschneiden.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie das konkret funktionieren soll?
Im Bereich der untiefen Geothermie ist die Qualitätssicherung derzeit eines der nächsten Themen, die wir im Rahmen des Programms Transfer angehen werden. Da gibt es Hersteller von Erdwärmesonden, die Interesse haben, Laufmeter zu produzieren und zu verkaufen. Produkte verkaufen auch Hersteller von Wärmepumpen. Bohrfirmen bieten eine Dienstleistung an – die Bohrungen und der Einbau der Sonden sollen möglichst mit Tempo vorangetrieben werden, um die Kosten zu halten. Planungsbüros wollen bei der Projektierung die Anlagen für den Endnutzer richtig dimensionieren und das optimale Verhältnis zwischen Kosten und Energieoutput erhalten. Die Behörden  müssen sicherstellen, dass die Anlagen alle Auflagen hinsichtlich Gewässerschutz erfüllen und sich zum Beispiel Erdwärmesondenfelder auf städtischem Gebiet nicht gegenseitig aufgrund ihrer Nähe beeinflussen. Für die einzelnen Akteure mögen Qualitätskontrollen vielleicht unnötig und erschwerend erscheinen. Die Qualität hängt aber vom Zusammenspiel im Gesamtsystem ab und Qualitätseinbussen wirken sich negativ auf die gesamte Branche aus. Oder positiv formuliert: Wenn die Qualität stimmt, setzen mehr Endverbraucher auf geothermische Systeme und davon profitieren alle Akteure. So wird der Kuchen grösser.

Wie stellt das Programm Transfer sicher, dass sich die Akteure untereinander generell besser austauschen und nicht nur im Rahmen von spezifischen Projekten?
Mit der Durchführung unseres nationalen Geothermie-Forums – mit internationaler Prägung – am 21. September 2021 will Geothermie-Schweiz diesen Austausch animieren. Und das nicht nur am Eventtag selbst, sondern das ganze Jahr hindurch. Genau aus diesem Grund haben wir parallel zum Geothermie-Forum die Plattform www.connect4geothermal.ch aufgebaut. Was am Event selbst möglich ist – Besuch des Marktplatzes und von Ausstellungen, mit Leuten aus der Branche in Kontakt treffen, sich auszutauschen – wird auf der «Connect»-Plattform auch virtuell nach dem Anlass möglich sein. So werden die verschiedenen Geothermie-Communities hoffentlich zusammenwachsen und so die Wertschöpfungskette der Geothermie stärken. Natürlich ist der persönliche Kontakt vor Ort aber noch immer der wertvollste. Ich hoffe daher, dass sich noch sehr viele Energieproduzenten, Planer, Vertreter von Behörden, Forschende, Investoren und generell Akteure, die ein Produkt oder eine Dienstleistung anbieten, anmelden. Es lohnt sich!

 


«Mit der Plattform www.connect4geothermal.ch werden die Geothermie-Communities hoffentlich zusammenwachsen und so die Wertschöpfungskette der Geothermie stärken.»


 

Wird die Plattform denn auch konkret für Projekte aus dem Programm Transfer genutzt?
Ja, mein Ziel ist es, über die Plattform auch Gruppen für Erfahrungsaustausch ins Leben zu rufen, zu animieren sowie die Resultate aus den Projekten über die Plattform zu verbreiten.

Welche Transfer-Projekte wurden bisher bereits umgesetzt?
Bei den im letzten Jahr initiierten Projekte liegen erste Resultate vor. Diese werden im Rahmen unseres Geothermie-Forums am 21. September 2021 in Fribourg vorgestellt. Das eine Projekt hatte zum Ziel, mögliche Standards für die Datengewinnung bei Explorationsbohrungen im mitteltiefen und tiefen Untergrund zu definieren. Und beim anderen Projekt ging es darum, konkrete Hilfestellungen für den Start eines hydrothermalen Geothermieprojekts in der Schweiz zu geben. Weitere Themen, die wir zurzeit bearbeiten, sind nebst der erwähnten Qualitätssicherung im Bereich der untiefen Geothermie seismische Kampagnen und die Einbindung der Geothermie in einer sehr frühen Phase bei der Arealentwicklung.

Welche neuen Erkenntnisse konnte das abgeschlossene Projekt «Starterleichterung» bereits liefern? Wo hapert es denn heute? Warum werden nicht mehr hydrothermale (mitteltiefe) Geothermie-Projekte umgesetzt?
Das sind tatsächlich die Fragen, die sich zahlreiche Akteure und natürlich auch Geothermie-Schweiz schon seit einiger Zeit stellen, wenn es darum geht, die Branche voranzubringen. Wir haben die Akteure befragt, welches die aus ihrer Sicht wichtigsten Hindernisse für die Geothermie sind. Ich will jetzt nicht im Detail vorgreifen, denn wir werden wie erwähnt diese Resultate noch ausführlich kommunizieren. Wenig überraschend wurden die finanziellen Risiken, mangelnde Kenntnisse des Schweizer Untergrundes sowie fehlende Erfahrungen bei allen Akteuren und – damit verbunden – zu wenig bestehende Anlagen als Beispiele genannt. Auch die Wichtigkeit des Schaffens eines starken «Geothermie Cluster» wird genannt, mit Wirtschaft, Hochschulen und Behörden. Es sind keine bahnbrechenden Erkenntnisse. Aber sie sind erstmals empirisch belegt. Das gibt die Basis, um Aktionsfelder zu definieren und Hebel anzusetzen. Eines der Folgeprojekte im Rahmen des Programms Transfer wird zum Beispiel sein, Finanzierungsmodelle zu entwickeln. Für Investoren sind einzelne Projekte weniger attraktiv als ein Projektportfolio. Was bedeutet das für die Geothermie? Und welche Risiken können wie versichert werden?

Können noch Projektideen für Transfer eingereicht werden, oder sind die Themen für die nächsten Jahre bereits gesetzt?
Wir haben einige Themen in der Pipeline. Zudem wird Anfangs September ein Austausch mit den Kantonen stattfinden, um ihnen das Programm Transfer vorzustellen und Ihre Bedürfnisse in Zusammenhang mit Geothermie aufzunehmen. Daraus werden sich ein oder mehrere kantonsspezifische Themen ergeben, die wir anpacken werden. Das heisst aber nicht, dass wir nicht offen für weitere Vorschläge sind, auch aus der Wirtschaft. Ganz im Gegenteil, wir möchten ja die aktuellen Bedürfnisse aufnehmen und dazu beitragen, dafür Lösungen zu erarbeiten. Daher mein Appell: Kommt auf mich zu – gerne auch anlässlich des Geothermie-Forums am 21.09.2021 in Fribourg!

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