Licht ins Dunkel des Schweizer Untergrundes
13.12.2018Energie-Schweiz, BFE und swisstopo haben im gemeinsamen Projekt GeoTherm eine zentrale Geothermie-Datenbank aufgebaut. Kürzlich publizierte interaktive Karten liefern Informationen zu Tiefengeothermie-Projekten, zu Bohrungen tiefer als 500 m und zu regionalen geothermischen Potenzialstudien – frei zugänglich und kostenlos.Weitere Karten und Anwendungen sind geplant. Olivier Lateltin, Leiter Landesgeologie, äussert sich im Interview zur eingeschränkten Verfügbarkeit geologischer Daten und zu den Zukunftsprojekten von swisstopo.
Im Januar 2016 haben Energie-Schweiz, das Bundesamt für Energie (BFE) und die Landesgeologie des Bundesamts für Landestopografie (swisstopo) das Projekt GeoTherm gestartet. Gemeinsames Ziel: Eine nationale Datenbank zur Geothermie schaffen, deren Daten kartografisch aufbereiten und auf der Webseite des Bundes allen Interessierten (Behörden, Fachleute, Investoren, Forscher, Eigentümer) kostenlos zur Verfügung stellen. Nach dreijähriger intensiver Arbeit liegen nun verschiedene Kartenanwendungen vor. Sie liefern Geothermie-Interessierten und potenziellen Projektanten wertvolle Grundlagen.
Daten sammeln, abgleichen und harmonisieren
Schwerpunkt von GeoTherm bildet die Bestandesaufnahme und Abbildung aller Tiefengeothermie-Projekte, Tiefenbohrungen und geothermischen Potenzialstudien der Schweiz. Die dazu verwendeten Daten stammen aus den Projekten GeoMol und aus den geologischen Archiven von swisstopo. GeoTherm hat zudem mit dem Verband Geothermie-Schweiz, mit den im Swiss Competence Center for Energy Research, Supply of Electricity (SCCER-SoE) zusammengeschlossenen Universitäten, mit den Kantonen sowie mit einigen privaten Unternehmen zusammengearbeitet. Das Projekt hat alle verfügbaren und aus rechtlicher Sicht zugänglichen Daten zusammengeführt, geprüft, harmonisiert, mit bestehenden Daten abgeglichen und in den Datenbanken von swisstopo gespeichert. Dabei erwiesen sich die analogen Ausgangsdokumente (v.a. zu alten Tiefenbohrungen) als wertvolle Informationsquellen.
Drei Karten zur Geothermie – online und kostenlos
Mit den zusammengeführten Daten hat GeoTherm drei neue Karten veröffentlicht. Die erste bildet die 50 Tiefengeothermie-Projekte der Schweiz ab und liefert beispielsweise Informationen zu deren Status, Geothermietyp oder Auftraggeber. Die zweite Karte fasst insgesamt 182 Tiefenbohrungen zusammen und liefert Daten zu den Koordinaten der Bohrungen, ihrer Tiefe oder zu den Inhabern der Rechte an den Daten. Die dritte Karte bildet schliesslich die inventarisierten 37 regionalen Studien zum geothermischen Potenzial ab. Mit diesen drei Karten können erstmals freie Daten zu Projekten und Tiefbohrungen sowie Potenzialstudien einfach und kostenlos heruntergeladen werden.
Zu den Geothermie-Karten und Daten: map.geo.admin.ch
Interview mit Olivier Lateltin, Leiter Landesgeologie, Mitglied der Geschäftsleitung von swisstopo und Vorstandsmitglied von Geothermie-Schweiz
Olivier Lateltin, das Projektteam von GeoTherm hat drei Jahre lang Daten gesammelt, harmonisiert und in Form von Karten publiziert. Welcher Nutzen lässt sich daraus ziehen?
Da muss man unterscheiden. Dem Projektplaner, dem Bohrunternehmer oder dem Energieexperten liefern wir damit Grundlagenmaterial, das sich zum Beispiel im Rahmen der Machbarkeitsstudien nutzen lässt. Nicht mehr, nicht weniger. Unsere Aufgabe ist es ja nicht, die Privatwirtschaft zu konkurrenzieren, sondern vorhandene Daten zu aggregieren.
Und was haben «Nicht-Profis» davon?
Eine Behörde einer grösseren Gemeinde oder ein Investor verfügen mit den publizierten Karten über ein Instrument, um sich einen Überblick zu verschaffen, welche Studien, Bohrungen und Projekte in ihrer Region bereits existieren. Bisher war dies nicht möglich, weil die vorhandenen Daten verstreut, unzugänglich oder uneinheitlich waren.
Wer sich durch die Karten klickt, merkt: Von vielen Bohrungen sind nur die Rohdaten zugänglich, wenn überhaupt. Weshalb?
Das ist tatsächlich frustrierend. Bei vielen Bohrungen sind die Rechte an den Rohdaten und vor allem an deren Auswertung im alleinigen Besitz der beteiligten Firmen. Manchmal können wir von swisstopo mit den Rechteinhabern der Daten verhandeln, damit diese einer Publikationen ihrer Daten – oder zumindest Teilen davon – zustimmen. Das gelingt aber nicht immer. Dass praktisch jeder Kanton in einem eigenen Gesetz die Nutzung des Untergrundes und den Umgang mit geologischen Daten regelt, macht die Sache auch nicht einfacher. Aber zum Glück hat die Politik nun reagiert.
Inwiefern?
Der Bundesrat hat in seiner Antwort auf ein entsprechendes Postulat vor kurzem einheitliche Standards empfohlen, wie geologische Daten künftig erfasst und ausgetauscht werden. Und zwar schweizweit einheitlich. Auf einen einfachen Nenner gebracht: Wer ab dem 1. Januar 2018 für ein Geothermie-Projekt Fördergelder beantragt bzw. beantragt hat, ist verpflichtet, die Rohdaten der Bohrungen swisstopo bzw. der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Das tönt nach einem Meilenstein. Wie ist das in anderen Ländern geregelt?
Unterschiedlich. In Deutschland ist die Situation ebenfalls ziemlich kompliziert. Musterbeispiel ist Holland: Dort sind alle geologischen Daten zentralisiert. Wer bohrt, muss die Daten anschliessend der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.
GeoTherm ist abgeschlossen. Wie geht’s jetzt weiter?
GeoTherm ist nur als Projekt abgeschlossen. Dessen Aufgaben werden wir im Rahmen der Landesgeologie aber weiterführen. Die Daten, Karten und 3D-Modelle müssen ja laufend aktualisiert werden.
Planen Sie auch neue Karten?
Ja, und wir sind schon weit damit. Mitte Februar werden wir 12 weitere Karten-Layer ins Netz stellen – Isothermenkarten, Tiefenkarten, Horizontkarten der Formationen in der Region des Molassebeckens, Karten der Wärmeströme und weitere. In Zukunft werden wir auch geophysikalische und seismische Daten veröffentlichen. Grundsätzlich gilt: Je mehr Daten wir haben, je mehr gebohrt wird, desto besser werden unsere 3D-Modelle.
Was lässt sich mit all den Daten und neuen Karten anfangen?
Schon jetzt ist es zum Beispiel möglich, an einem beliebigen Ort des Schweizer Mittelandes virtuell durch die Gesteinsschichten des Untergrunds zu bohren – mit einer durchschnittlichen Genauigkeit von 5% auf drei Kilometer Tiefe. Das ist natürlich zu ungenau, um bei einem Geothermie-Projekt auf Erkundungsbohrungen verzichten zu können. Aber es liefert wichtige Informationen, um die Potenziale des Untergrundes besser abschätzen oder eine grobe finanzielle Beurteilung des Projekts vornehmen zu können. Mittelfristig wird es uns auch möglich sein, potenzielle Warmwasserreservoirs abzubilden. Oder die Speicherkapazitäten im Lockergestein. Heute ist das noch Zukunftsmusik.
Weitere Informationen
Geologie-news N.3, November 2018
Medienmitteilung vom 7. Dezember 2018: Bundesrat will bessere Datengrundlagen für Raumplanung im Untergrund
Bericht des Bundesrates: Geologische Daten zum Untergrund