«Es ist schön, gefragt zu sein!»
24.03.2022Nathalie Andenmatten Berthoud ist seit 2019 Präsidentin von Geothermie-Schweiz. Im Interview erklärt sie, warum der Verband unter ihrer Führung mit Jérôme Faessler bereits einen zweiten Mitarbeiter anstellt und wo die Reise von Geothermie-Schweiz hingeht.
In die bisher knapp dreijährige Amtszeit von Nathalie Andenmatten fielen unter anderem der Startschuss des Programms Transfer und die damit verbundene Anstellung von Cédric Höllmüller als Programmleiter. Nun geht der Verband einen Schritt weiter und engagiert mit Jérôme Faessler einen zweiten Mitarbeitenden, der gemeinsam mit Höllmüller die Co-Geschäftsleitung von Geothermie-Schweiz übernehmen wird.
Woran denken Sie konkret, wo sollte Geothermie-Schweiz mehr Mittel und Zeit investieren?
Entscheidend sind die Netzwerke, in denen sich Geothermie-Schweiz als Fachverband bewegt. Diese müssen wir weiter ausbauen und pflegen. Wir müssen viel näher dran sein an der Aktualität. Wir müssen den politischen Diskurs aktiver mitprägen. Wir müssen Trends erkennen und zum Vorteil für die Geothermie nutzen können. Und wir müssen auch in viel grösserem Ausmass als bisher die Probleme, Hürden und Herausforderungen der Akteure in der Schweiz identifizieren und sie bei der Lösungsfindung unterstützen. Das sind grosse Aufgaben, die wir auch nicht allein stemmen können. Da müssen die Netzwerke spielen.
Können Sie Beispiele nennen?
Die Wärmewende geht uns alle an und Geothermie ist ein Teil davon. Da macht es zum Beispiel keinen Sinn, Alleingänge zu versuchen. Es gibt viele, sich überschneidende Themen und andere Akteure, andere Organisationen und Verbände, welche diese Themen auch bearbeiten. Hier gilt es die Kräfte zu bündeln, um sich mit gemeinsamen Positionen besser Gehör zu verschaffen. Umgekehrt müssen wir diejenigen Themen identifizieren, die ganz spezifisch die Geothermie betreffen und unsere Mittel dort einsetzen, wo sie am wirkungsvollsten sind. Ein gutes Beispiel dafür ist die Absicherung der finanziellen Risiken bei Geothermie-Projekten. Ein weiteres Thema ist der ganze Bewilligungsprozess bei Geothermie-Projekten. Er dauert zu lange und ist zu aufwändig. Das verteuert und verzögert die Projekte.
Neu stösst also Jérôme Faessler zum «Team Geothermie-Schweiz». Was bringt er konkret mit?
Zunächst einmal, und das ist natürlich ganz wichtig, bringt Jérôme Faessler ein enormes Mass an Fachkompetenz mit. Er hat ein umfassendes Verständnis von Energiesystemen und betrachtet die Geothermie auch entsprechend in einem grösseren Zusammenhang. Er versteht die gesellschaftlichen Herausforderungen. Das spiegelt sich auch direkt in seinem Lebenslauf wider: Er war für Behörden, an einer Universität und auch in der Privatwirtschaft tätig. Im privaten Sektor hat er sowohl für ein Stadtwerk als auch für ein Planungsbüro gearbeitet. Somit hat er auch ein Verständnis für die jeweils eigenen Herausforderungen aller Akteure entwickelt. Das sind perfekte Voraussetzungen für die Position bei Geothermie-Schweiz.
Der Vorstand hat sich für ein Modell mit einer fest angestellten Co-Geschäftsleitung entschieden. Welche Vorteile ergeben sich daraus?
Wir haben das Glück, mit Jérôme Faessler und Cédric Höllmüller nun zwei Co-Geschäftsleiter zu haben, die sich hervorragend ergänzen. So können wir die Geschäftsleitung unter Berücksichtigung ihrer Stärken aufbauen. Die Festanstellungen geben dem Verband auch mehr Planungssicherheit. Mit diesem Team können wir die Herausforderungen der nächsten Jahre gesamtheitlich angehen. Und das ist auch nötig: Noch wird Geothermie-Schweiz nicht als DIE Anlaufstelle für alle geothermischen Anwendungen wahrgenommen, noch vereint der Verband nicht alle relevanten Akteure unter einem Dach.
Richten wir den Blick kurz zurück. Sie sind nun seit beinahe drei Jahren Präsidentin von Geothermie-Schweiz. Gibt es in dieser Zeit ein Schlüsselerlebnis, einen prägenden Moment?
Ich finde, wir haben als Verband einen grossen Schritt nach vorne gemacht, seit wir unser Positionspapier zum Wärmepotenzial der Geothermie in der Schweiz veröffentlicht haben. In diesem formulieren wir das ambitionierte Ziel, dass bis 2050 mindestens ein Viertel des gesamten Wärmebedarfs durch Geothermie gedeckt wird. Mit dieser klaren Positionierung haben wir uns erstmals auch quantifizierte Ziele gesetzt.
Was hat das bewirkt?
Wir haben die Geothermie als relevante und ernstzunehmende Energiequelle in der Wärmewende positioniert und mitgeholfen, deren Glaubwürdigkeit in der Schweiz zu stärken. Wir haben aufgezeigt, dass Geothermie viel mehr ist als Erdwärmesonden und Tiefengeothermie. Seither können wir auch mehr und mehr glaubhaft darlegen, dass eine Wärmewende ohne Geothermie nicht möglich ist. Die Schweiz kann es sich schlichtweg nicht leisten, auf die Wärme aus dem Boden zu verzichten. Auch wenn diese Botschaft vielleicht noch nicht in der breiten Bevölkerung angekommen ist, so wird sie bei vielen Entscheidungsträgern wahrgenommen und auch verstanden. Die grossen Themen unserer Zeit – der Klimawandel und die unsichere geopolitische Lage – stärken unsere Position. Wir können aufzeigen, dass Geothermie eine sichere, saubere und zuverlässige Energiequelle ist, die zudem unsere Abhängigkeit vom Ausland reduziert.
Was bereitet Ihnen persönlich am meisten Freude, wenn Sie die Entwicklung der letzten Jahre betrachten?
Früher mussten wir alle Hebel in Bewegung setzen, um unsere Botschaften einem Publikum ausserhalb der Geothermie-Branche zu erzählen. Man nahm uns schlicht nicht wahr. Nun denken viel mehr Leute an die Geothermie. Wir werden vermehrt angefragt, auch aus dem Ausland. Man nimmt unsere Anliegen auch ernst. Es ist schön, gefragt zu sein!