Für die Energieunabhängigkeit braucht die Schweiz Geothermie!
03.04.2025Vincent Badoux ist langjähriges Mitglied von Geothermie-Schweiz, sitzt seit 2018 im Vorstand und ist seit September 2024 Präsident ad interim des Verbande. Ein halbes Jahr vor dem Europäischen Geothermiekongress in Zürich zeigt er sich besorgt über die vom Bund angekündigten Sparmassnahmen. Sie würden die erneuerbare Wärmeproduktion und damit auch die Geothermie übermässig treffen. Das zeige definitiv in die falsche Richtung, meint Vincent Badoux.

Vincent Badoux
«Eine starke, gemeinsame Vision im Geothermiebereich ist der Schweiz abhandengekommen»
Wenn Sie einer Person ohne Vorkenntnisse in drei Sätzen erklären müssen, wie es um die Geothermie in der Schweiz steht, was sagen Sie?
Es gibt nicht die eine Geothermie, es gibt sie in vielen, verschiedenen Arten. Das kann man nicht oft genug betonen. Während die untiefe Geothermie in all ihren Facetten – beispielsweise mit den Erdwärmesonden oder der Grundwassernutzung – aufgrund ihres Erfolgs schon beinahe «überhitzt», steht die Tiefengeothermie immer noch in den Startlöchern. Noch will der richtige Startschuss einfach nicht fallen.
Woran liegt das? So tut sich die Geothermie nach wie vor schwer, überhaupt im öffentlichen Diskurs präsent zu sein.
Das hängt stark von der Art der Nutzung und der verwendeten Technologie ab. Bei der untiefen Geothermie sind die Anlagen nicht sichtbar und funktionieren perfekt. Dass damit die Stromrechnung über Jahrzehnte gesenkt werden kann, gibt als Geschichte vielleicht einmal etwas her. Dasselbe gilt für eine Vorzeigeanlage wie jene in Riehen, die seit mehr als 30 Jahren zuverlässig Wärme aus einer Tiefe von etwa 1’300 Metern liefert. Wo es keine Probleme gibt, spricht auch niemand in der breiten Öffentlichkeit darüber. In der Politik soll und muss das anders sein. Geothermie-Schweiz hat da noch viel Arbeit vor sich und engagiert sich aktiv mit verschiedenen Partnern, um die Geothermie besser zu vermitteln.
Geht es Ihrer Meinung nach wenigstens in die richtige Richtung, oder gibt es auch Rückschritte?
In anderen europäischen Ländern gehen die Dinge definitiv in die richtige Richtung, wie der französische Energieminister Marc Ferracci am Donnerstag, den 28. März, in der Schweizer Botschaft in Paris in Erinnerung rief. Ob dies auch auf die Schweiz zutrifft, da habe ich so meine Zweifel. Die vom Bund angekündigten Sparmassnahmen zeigen in eine falsche Richtung und treffen insbesondere Projekte zur Wärmeerzeugung. Dabei wären sie so wichtig, um den CO2-Ausstoss in den Städten entscheidend zu senken. Während viele europäische Länder stark auf geothermische Netze setzen, will die Schweiz Subventionen für bestimmte Arten der Geothermie kürzen. Dafür habe ich kein Verständnis. Auf dem Weg in die Energieunabhängigkeit ohne fossile Energieträger und ohne CO2-Emissionen kann die Schweiz nicht auf die Geothermie verzichten. Umso wichtiger wäre eine klare und langfristige Vision. Diese Vision war meiner Meinung nach im neuen Energiegesetz und im CO2-Gesetz klar zum Ausdruck gebracht worden. Doch ich habe den Eindruck, dass der Schweiz diese starke, gemeinsame Vision abhandengekommen ist.
«Auf dem Weg in die Energieunabhängigkeit ohne fossile Energieträger und ohne CO2-Emissionen kann die Schweiz nicht auf die Geothermie verzichten.»
Welches sind aus Ihrer Sicht bzw. aus Verbandssicht die aktuell drängendsten Themen, welche die Politik lösen könnte oder müsste? Oder anders gefragt: wo legt Geothermie-Schweiz aktuell den Fokus in seiner Lobbyarbeit?
Im Gegensatz zu unseren europäischen Nachbarn hat die Schweiz keine starke Tradition bei der Öl- und Gasexploration. Die Kenntnisse über den tiefen Untergrund sind daher noch relativ gering. Nach Ansicht von Geothermie-Schweiz ist es unerlässlich, die Finanzierung von Explorationskampagnen in der Schweiz fortzusetzen, um unseren Untergrund besser zu verstehen, die geothermischen Ressourcen abzuschätzen und das Potenzial auch zu erschliessen. Ebenso muss die Finanzierung von Pilot- und Demonstrationsprojekten fortgeführt werden, da diese einen wichtigen Schritt für den Wissenstransfer zwischen Forschung und Industrie darstellen. Wir fordern die Bundesbehörden auf, ihre Verantwortung zu übernehmen und Mut zu zeigen.
Wenn über Geothermieprojekte in der Schweiz berichtet wird, stehen allzu oft negative Aspekte im Raum. So richtig grosse Erfolgsstories bekommt die Öffentlichkeit derzeit nicht mit. Das macht es nicht leichter, die Geothermie der Politik zu «verkaufen».
Wenn man Politiker fragen würde, ob sie lieber eine Windenergieanlage, ein Gaskraftwerk, ein Atomkraftwerk oder ein geothermisches Kraftwerk in ihrem Garten haben möchten, wäre die Antwort, so denke ich, klar.
Wann kommt sie, diese nächste, grosse Erfolgsstory zur Geothermie in der Schweiz?
Sie ist schon längstens da – die grosse Erfolgsgeschichte wird jeden Tag, seit 20 Jahren, geschrieben, durch das ununterbrochene Wachstum der untiefen Geothermie. Derzeit werden in der Schweiz jeden Tag 40 Bohrungen für Erdwärmesonden ausgeführt. Dieser Erfolg spricht für sich und verschafft der Schweiz internationale Anerkennung. So erhielt ich persönlich die Gelegenheit, diese Schweizer Erfolgsgeschichte im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit China und der Weltbank im Nahen Osten und in Zentralasien zu erläutern. Die Geothermie kann zu einem global Player werden, wenn das riesige Potenzial auch genutzt wird.
«Die für das Projekt in Haute-Sorne entwickelte Technologie kann vervielfältigt und skaliert werden.»
Und wie sieht es bei Grossprojekten in der Schweiz aus?
Ich persönlich hege grosse Erwartungen an das Projekt in Haute-Sorne und habe grosses Vertrauen in das Team, das hinter diesem Projekt steckt. Was dabei oft vergessen geht: Die von ihnen entwickelte Technologie kann vervielfältigt und skaliert werden und hat dadurch das Potenzial, eine Schlüsseltechnologie zu werden. Ich wünsche dem gesamten Team jedenfalls viel Erfolg für die nächste Phase des Projekts.
Der 1990 gegründete Verband Geothermie-Schweiz wird in diesem Jahr 35-jährig. Welche Gründe gibt es aus Sicht des Verbands, um dieses Jubiläum zu feiern?
Wir haben keine speziellen Aktivitäten geplant. Der Verband hat sich in den letzten Jahren professionalisiert und modernisiert. Dadurch ist er agiler geworden und kann besser auf neue gesellschaftliche Herausforderungen sowie Anforderungen der Mitglieder reagieren. Diesen Erfolg verdanken wir dem Engagement und dem Vertrauen unserer Mitglieder, von denen einige von Anfang an dabei sind.
Sie selbst sind auch schon einige Jahre im Verband dabei. Wo steht der Verband heute im Vergleich zum Zeitpunkt Ihres Eintritts?
Ich muss gestehen, dass ich nicht einmal mehr genau weiss, seit wann ich Mitglied bin. Ich bin als Studentenmitglied beigetreten, nachdem ich einen Kurs von François David Vuataz besucht habe, der sich sehr für die Entwicklung der Geothermie in der Schweiz einsetzte. Sein Kurs war damals nicht von der Universität, sondern vom Programm EnergieSchweiz finanziert, und er musste richtiggehend für die Aufrechterhaltung des Kurses kämpfen. Das ist heute zum Glück anders, die Geothermie ist heute fest im Hochschulbereich verankert. Das verdanken wir Visionären und engagierten Menschen wie ihm. Auf Seiten des Verbands konnten wir aus dem rein universitären Milieu ausbrechen. Wir sind heute längst nicht mehr die Vereinigung «Freunde der Geothermie», wie der Verband damals oft bezeichnet wurde.
Was braucht es, damit der Verband noch weitere Schritte nach vorn machen kann?
Wie viele andere Verbände auch sind wir auf Mitgliederbeiträge, Sponsorengelder und die Unterstützung des Bundes angewiesen. Das heisst, unsere Mittel sind begrenzt, und wir müssen schonend mit unseren Ressourcen umgehen. Damit meine ich explizit auch die vielen Menschen, die sich tagtäglich für die Geothermie – oder in grösserem Massstab für die Energiewende – engagieren. Deren Gesundheit muss besser geschützt werden. Es braucht eine klare Vision sowie Rahmenbedingungen, um langfristige Stabilität beim Verband zu gewährleisten. Dies fehlt meiner Meinung nach.
«Wir müssen schonend mit unseren Ressourcen umgehen. Damit meine ich explizit auch die Menschen, die sich für die Geothermie im Speziellen und für die Energiewende im Allgemeinen engagieren.»
Sie selbst sind aufgrund von Krankheitsfällen im Verband Präsident auf Zeit. Wie schwierig war es, dieses Mandat ad interim zu übernehmen?
Meine Gedanken sind natürlich bei unserer Präsidentin, die wir vermissen und der ich viel Kraft und eine schnelle Genesung wünsche. Ansonsten habe ich das Glück, auf eine kompetente Geschäftsleitung und einen engagierten Vorstand zählen zu können. Das erleichtert mir die Aufgabe ungemein. Auch hatte ich mit der GEOTEST AG einen Arbeitgeber, der mir den nötigen Raum und die Zeit gab, um dieses Mandat erfolgreich zu führen. Das ist keineswegs selbstverständlich und ich danke allen Beteiligten, die mir dies ermöglichen.
Kann man als Präsident ad interim den Verband mitgestalten oder geht es primär darum, den Übergang sicherzustellen?
Der Verband braucht eine Persönlichkeit als Präsidentin oder Präsident, die politisch gut vernetzt ist. Bis zur Rückkehr unserer Präsidentin sehe ich mich daher eher in einer technischen Rolle. So kann ich die Geschäftsleitung punktuell unterstützen und helfe mit, den Verband funktionsfähig zu halten. Es ist mir auch wichtig, die verschiedenen Dossiers voranzutreiben, damit unsere Präsidentin nach ihrer Rückkehr wieder auf den fahrenden Zug aufspringen kann.
Und wie geht es mit dem Verband in den kommenden Monaten personell nun weiter?
Wir sind immer noch auf der Suche nach einer zusätzlichen Person, die das bestehende Team bei Events und bei der Kommunikation unterstützt. In der Zwischenzeit können wir auf ein ausgezeichnetes Netzwerk von Partnern zurückgreifen, um die Dinge voranzutreiben.
Nun findet im Herbst zum zweiten Mal nach 1999 der Europäische Geothermiekongress in der Schweiz statt. Was bedeutet dieser Event für den Verband und generell für die Geothermie in der Schweiz?
Meiner Meinung nach ist dies eine allgemeine Anerkennung auf europäischer Ebene für die wichtige Arbeit, die in den letzten Jahren von geothermische Szene geleistet wurde. Die Schweiz kann stolz darauf sein. Für den Verband ist es vor allem eine enorme Verpflichtung und hat uns dazu bewegt, unsere Prioritäten für dieses Jahr zu überdenken. Bundesrat Albert Rösti hat für diesen Event zugesagt, was die Anerkennung auf höchster politischer Ebene in der Schweiz aufzeigt.
Der Europäische Geothermiekongress in Zahlen
6.-10. Oktober 2025 in Zürich 1500 Teilnehmende |
Wie ist der Event organisiert? Was steuert der «European Geothermal Energy Council», der EGEC, was Geothermie-Schweiz bei? Wie ist das OK für die Schweiz personell aufgestellt, um diesen Event zu stemmen?
Die Schweiz ist Gastgeberland. Geothermie-Schweiz als Dachverband ist zusammen mit der EGEC Co-Organisator des Anlasses. Verschiedene Aufgaben sind unter den Vorstandsmitgliedern und Direktion verteilt, um in den Gremien vertreten zu sein. So sitzt unser Geschäftsleiter Jérôme Faessler im Organisationskomitee, und Prof. Martin Saar, hält den Vorsitz im wissenschaftlichen Komitee. Dieses zeichnet sich für das Programm verantwortlich. Geothermie-Schweiz nutzt den Besuch des EGC, um parallel das alljährliche Connect-Forum zu organisieren. Wir profitieren dabei auch von einer starken Unterstützung des Bundes, der die Veranstaltung zur Förderung der Innovation in diesem Bereich nutzen möchte.
Inwiefern kann die Geothermie in der Schweiz von der Strahlkraft eines solchen Events profitieren?
Wir konnten bereits den Austausch mit unseren europäischen Partnern intensivieren. Das ist wichtig, um die Geothermie auch in der Schweiz voranzubringen. Da die ETHZ Hauptsponsorin der Veranstaltung ist, wird der Kongress die Innovationkraft unseres akademischen Sektors zum Vorschein bringen. Eine Bilanz werden wir aber erst nach dem Kongress ziehen.
Worauf freuen Sie sich am meisten beim EGC?
Dass die gesamte Geothermie-Gemeinschaft in Europa an einem Ort zusammenkommt und dabei politische und technologische Grenzen überwindet. Weiter erwarte und hoffe ich, dass dieser Kongress dazu beiträgt, die Geothermie in allen Schichten der Gesellschaft, bei Bürgern, Politikern, Investoren und Entscheidungsträgern besser bekannt zu machen. Wir werden eng mit den Bundesbehörden zusammenarbeiten, um eine angemessene Kommunikation sicherzustellen. Natürlich freue ich mich auch auf das spannende Programm mit vielen Veranstaltungen, Workshops, Exkursionen, weiteren Side-Events und einem Galadinner auf dem Albisgütli am Dienstag, 7. Oktober 2025!
Zur Person
Vincent Badoux ist diplomierter Ingenieur-Geologe der Universität Genf und promovierte 2007 in Hydrogeologie an der Universität Neuenburg. Danach arbeitete er als Geologe und Hydrogeologe in verschiedenen Beratungsbüros in der Region Zürich und danach bei der GEOTEST AG in Zollikofen, wo er fünf Jahre lang den Bereich Hydrogeologie und Geothermie leitete. Im April 2025 gründete er mit b-geo GmbH in Basel ein eigenes Unternehmen und will seine Ideen und Visionen für die Geowissenschaft entwickeln. Seit 2017 ist Vincent Badoux zudem Lehrbeauftragter für oberflächennahe Geothermie an der Universität Neuenburg. Im Jahr 2024 erlangt er einen EMBA der Universität St. Gallen. Vincent Badoux ist seit 2018 Vorstandsmitglied von Geothermie-Schweiz. |
Interview von Daniel Stegmann, Infrakom
Newsübersicht