Programm Transfer, Programm Wissens- und Technologietransfer Geothermie

«Die Menschen in der Geothermie engagieren sich mit Herzblut und Überzeugung»

09.07.2020

Der neue Leiter des Programmes Wissens- und Technologietransfer Geothermie, Cédric Höllmüller, hat seine Stelle Mitte Juni angetreten. Er hat einige Akteure aus der Geothermie getroffen, ihnen zugehört, Informationen gesammelt. Im Interview schildert der 53-Jährige seine Eindrücke aus den ersten Wochen.

Cédric Höllmüller, Ihre ersten Arbeitswochen waren geprägt von Reisen in verschiedene Ecken der Schweiz. Dabei haben Sie zahlreiche Akteure aus der Geothermie kennengelernt. Ihre ersten Eindrücke von der Geothermie-Community in der Schweiz?
Die ersten Wochen waren sehr spannend. Ich empfinde es als Privileg, all diese neuen Leute kennenzulernen und ihnen zuzuhören, wenn sie von der Geothermie und von ihrer Arbeit erzählen. Ihre Grundhaltung hat mich beeindruckt: Die Menschen sind überzeugt von dem, was sie tun und engagieren sich mit Herzblut für die Geothermie. Eine eigentliche Geothermie-Community aber, die habe ich nicht gesehen.

Wie meinen Sie das?
Es gibt verschiedene Geothermie-Communitys, nicht eine einzige. Das ist an sich nicht überraschend, denn die Geothermie ist sehr interdisziplinär aufgestellt. In diesem breiten Feld haben Geologen, Ingenieure, Energiespezialisten, Fachleute für die Energieverteilung, Gesamtplaner und so weiter Platz. Sie alle haben grundsätzlich das gleiche Interesse, nämlich bessere Rahmenbedingungen für die Geothermie. Und sie betrachten jeweils die Geothermie aus ihrem eigenen Blickwinkel, mit ihren Eigeninteressen. Das liegt in der Natur der Sache. Für grössere Entwicklungsschritte wird es darum gehen, die gemeinsamen Interessen zu identifizieren und in den Vordergrund zu stellen.

Diese verschiedenen Bedürfnisse abzuholen, das wird auch Teil Ihrer Aufgabe als Programmleiter Wissens- und Technologietransfer sein…
Absolut. Ich habe auf meiner Anfangstour einen sehr grossen Wunsch nach Koordination verspürt, geografisch und fachlich. Den Bedarf nach diesem Programm sehe und höre ich von allen Seiten, und es kommt zum richtigen Zeitpunkt. Ich freue mich, die Dinge anzupacken.

Was ist Ihnen auf Ihrer Anfangstour sonst noch aufgefallen?
Ich bin sehr erstaunt, wie wenig wir über unseren Untergrund eigentlich wissen. Die Schweiz investiert zum Beispiel viel in die Erforschung des Weltalls und mischt in diversen internationalen Programmen vorne mit. In diesem Zusammenhang frage ich mich generell: Wenn wir es schaffen Sonden ins Weltall zu schicken, um fremde Himmelskörper zu untersuchen und Spuren von Wasser zu finden, warum schaffen wir es dann nicht, den Boden unter unseren eigenen Füssen besser zu kennen? Diese Frage wird mich persönlich am Anfang sicher noch etwas beschäftigen, denn eine genauere Kenntnis des Untergrunds ist doch entscheidend, wenn wir über Potenziale für Erdwärmenutzung, Wärmespeicherung, Kühlung, Stromproduktion und sonstige Lagerungen und Ressourcengewinnung im Boden sprechen.

Sie haben vorhin die vielen spannenden Begegnungen erwähnt. Diese Menschen haben nun auch Sie etwas kennengelernt. Wer ist der Mensch Cédric Höllmüller?
Ich bin Vater von vier Kindern, drei davon erwachsen, und lebe in Biel. Meine ersten fünf Lebensjahre habe ich im Kongo verbracht und sprach Französich, danach gingen meine Eltern zurück in die Schweiz, ins Baselbiet sowie später in den Kanton Jura. Dieser erste Kulturschock, der wesentlich mehr beinhaltet als die reine Sprache, hat mich in diesem Entwicklungsstadium entscheidend geprägt. Ich habe früh gelernt, dass es für alles unterschiedliche Betrachtungs- und Herangehensweisen gibt. Ich gehe offen auf Menschen zu, höre mir gerne verschiedene Argumente an und bilde mir erst dann eine Meinung. Ich denke, dass dies für meine jetzige Position ein Plus ist. Zumal ich ja nicht von innerhalb der Geothermie-Branche komme, sondern ausserhalb. So bin ich unvoreingenommen.

Sie haben die hohen Erwartungen an diese Stelle, und damit auch an Sie, bereits gespürt. Verspüren Sie damit auch einen gewissen Druck?
Ich weiss, dass ich einen Beitrag leisten werde, um die Geothermie weiterzubringen. Meine neu geschaffene Funktion ist wichtig für die Branche. Gleichzeitig möchte ich das relativieren, denn ich bin nur eine Person, nur ein Teil eines grösseren Ganzen. Wie gross oder klein mein persönlicher Beitrag schlussendlich sein wird, ist irrelevant. Für Ego-Trips bin ich wohl schon zu alt, das brauche ich nicht mehr. Ich werde mein Bestes geben. Das ist meine eigene Erwartung und damit muss ich umgehen können.

Welche Kompetenzen können Sie einbringen, um das Programm zum Erfolg zu führen?
Das Fachwissen zur Geothermie ist bei genügend anderen Menschen vorhanden, im In- und Ausland. Mein Job wird es sein, Brücken zwischen Menschen und Institutionen zu bauen und Austausch von Erfahrungen und Wissen an den Schnittstellen zu ermöglichen, zwischen Know-how-Träger A und Know-how-Träger B. Ziel ist, dass man gemeinsam weiterkommt. Das braucht Vertrauen. Dieses schafft man nur, indem man auf die Leute zugeht, ihnen zuhört und ein Verständnis für ihre Herausforderungen und Probleme entwickelt. Dabei will ich stets transparent bleiben. Ich will den Beteiligten aufzeigen, dass alle mit Wasser kochen. Aus meiner Erfahrung weiss ich, dass meistens andere ähnliche Probleme kennen und ein Austausch der Erfahrungen und des Wissens allen nützt, ohne dass dabei Betriebsgeheimnisse gelüftet werden.

Damit sind wir beim Kern des Programms Erfahrungsaustausch angelangt.
Ja, wobei mir die bisher verwendete Bezeichnung «Erfahrungsaustausch» für das Programm nicht weit genug geht. Ich verstehe meine Rolle als Verantwortlicher «Wissens- und Technologietransfer», beziehungsweise «Knowledge and Technology Transfer». Das ist eine international anerkannte Bezeichnung im Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation. Der Austausch von Erfahrungen im Rahmen des Programms ist für mich nur ein Teil des Ganzen. Was macht man mit den Resultaten? Wie werden diese evaluiert? Wie strukturiert? Welche Resultate können auf andere Projekte übertragen, also standardisiert werden? Welche nicht? Wie stellt man die Resultate optimal zur Verfügung, so dass alle davon profitieren können, ohne dass dabei sensible und vertrauliche Informationen allen zugänglich gemacht werden? Das sind wichtige Fragen, die ich mir jetzt zu Beginn stelle und bald Antworten finden will. Dafür ist es jetzt aber noch zu früh.

Auf welche persönlichen Erfahrungen können Sie zurückgreifen bei der Suche nach Antworten?
Ich war zwanzig Jahre im «Ökosystem» Innovation tätig – und in diesem Bereich bewegen wir uns. Das Zusammenspiel von Wirtschaft, Wissenschaft und Behörden ist dabei ein entscheidender Faktor. Ich war als Brückenbauer, Vermittler und Projektermöglicher zwischen diesen Akteuren in diversen Sektoren unterwegs und habe Erfahrungen im Wissens- und Technologietransfer gesammelt. Und vorher war ich in der Produktionskette Holz tätig. Ende Achtziger Jahre stand diese Branche vor ähnlichen Herausforderungen wie die Geothermie heute: Eine nachhaltige Ressource war vorhanden und das Know-How sowie die Koordination in der Branche fehlte für eine breitere Nutzung. Heute ist Holz als Baustoff eine feste Grösse. Bis es zu diesem Boom kam, hat es viel Ausbildung, Überzeugungsarbeit gegen aussen und Koordination innerhalb der Branche gebraucht. Und vor allem auch Zeit. Ein Selbstläufer war das nicht. Wenn ich die mitteltiefe Geothermie von heute mit der Holzwirtschaft von damals vergleiche, dann sind wir an einem Punkt, wo sie konkurrenzfähig sein kann, es aber noch nicht in den Köpfen von Entscheidungsträgern angekommen ist.

Wird es Ihrer Meinung nach auch etwa 30 Jahre dauern?
Das kann ich nicht beurteilen, ich bin noch zu wenig in der Geothermie Branche. Immerhin spielen uns die Klimadebatte und die Energiestrategie des Bundes in die Hände. Einige Weichen für die Zukunft sind schon gestellt worden. Weitere werden folgen, unter anderem mit diesem Programm. Wenn alle Akteure gemeinsam mitspielen scheint es machbar, die Geothermie-Ziele für 2050 zu erreichen. 30 Jahre, das entspricht der Zeit, die es gebraucht hat, um den Holzbau als moderne und nachhaltige Bauweise zu positionieren.

Den Start haben Sie nun hinter sich. Wie geht es für Sie jetzt weiter in den nächsten Wochen und Monaten?
Ich werde die bisher gesammelten Informationen verinnerlichen, weiterhin viele Leute besuchen und arbeite an den ersten Projekten des Programms sowie am Aufbau des Programmmanagements. Noch in diesem Jahr werden erste Resultate vorliegen, und das wird für die Geothermie-Akteure bereits ab Herbst sichtbar!

 

 

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