Erdbeben und Geothermie

Ampel-System im Fokus

21.06.2016

In der Schweiz haben menschgemachte Erschütterungen bei Projekten der Tiefengeothermie eine entscheidende Rolle gespielt. An der ETH Zürich wurden Untersuchungen vorgestellt und über künftige Entwicklungen diskutiert. Im Fokus steht ein Ampel-System.

Während natürliche Erdbeben in der Schweiz überall auftreten können, stellt menschgemachte Seismizität eine neue Herausforderung dar. Der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich überwacht alle Bebenaktivitäten und bewertet die dadurch mögliche Gefährdung.

Umfassende Betrachtung als Ausgangspunkt

SED-Direktor Stefan Wiemer wies an einer Veranstaltung «Erdbeben und Geothermie» darauf hin, dass als wesentlicher Schritt der Wandel von der Erdbebengefährdung zum Erdbebenrisiko verstanden wird. Das Risiko summiert sich aus: seismischer Gefährdung, Beschaffenheit des Untergrunds, lokal betroffenen Werten sowie Verletzbarkeit von Gebäuden und Infrastrukturen. Erst diese Gesamtbetrachtung gibt einen Hinweis, wie eine induzierte Seismizität wahrgenommen, beurteilt und akzeptiert werden kann.

Bei Tiefengeothermieprojekten werden Beben aber auch als «Werkzeug» verstanden. Die petrothermalen Vorhaben, also die Schaffung künstlicher Wärmetauschergebiete im kristallinen Untergrund, bedingen eine Gesteinsdurchlässigkeit, die durch Scheren von vorhandenen Brüchen erhöht werden kann. Durch die Stimulation mit Wasserdruck öffnen sich diese Stellen und verschieben sich. Diesen Vorgang zeichnet man einerseits auf, um die stimulierten Bereiche zu lokalisieren, anderseits werden die Erschütterungen an der Erdoberfläche ab einer bestimmten Stärke als Beben wahrgenommen.

Wenn die Ampel auf Rot steht

Weil Tiefengeothermieprojekte meist in dicht besiedelten Gebieten realisiert werden sollen, sind fühlbare Erdbeben eine wichtige Komponente für die Akzeptenz eines Projekts und der Technologie. Toni Kraft (SED) zeigte die Möglichkeiten der seismischen Echtzeitüberwachung von Vorhaben auf. Ausgehend von den beiden Projekten in Basel und St. Gallen hat er die Zusammenhänge der Stimulationsdrücke und Bebentätigkeit erläutert. Im Allgemeinen gilt, dass nach dem Abstellen der Pumpen und damit der Stimulationsarbeit auch eine Verminderung der induzierten Seismizität eintritt.

Bei beiden Projekten wurde dafür ein Ampel-System genutzt, das bestimmte Magnituden-Grenzwerte aufwies, und somit bei deren Überschreitung der Druck im Untergrund vermindert werden musste. Dieses Ampel-System, das auf gemessenen Werten basiert, erweitert der SED zu einer vorausschauenden seismischen Ampel-Steuerung. Für SED-Chef Wiemer kann damit induzierte Seismizität besser verstanden und wirkungsvoll kontrolliert werden. Lässt sich die menschgemachten Beben besser voraussagen und zugleich limitieren, haben Tiefengeothermieprojekte eine wichtige Akzeptanzhürde überwunden.

 

GEOBEST-CH

Der Schweizerische Erdbebendienst (SED) und die ETH Zürich bieten im Rahmen des Projekts GEOBEST-CH seismologische Beratung bei Tiefengeothermieprojekten. Sie wollen die beteiligten Behörden und Industrien dabei unterstützen, über kantonale Grenzen hinweg einheitliche Qualitätsstandards in der Handbauung seismologischer Fragestellungen zu etablieren. Diese sind auch nutzbar für Genemigungsverfahren und Projektdurchführungen.

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