GEOTHERMIE-SCHWEIZ

Nationaler Geothermie-Kongress in Yverdon-les-Bains: «Mit Geothermie in die Wärmewende»

22.12.2016

Im Untergrund stehen Wärme und Kälte zur Verfügung. Hier lassen sich auch saisonale Energiespeicher schaffen, die als Baustein für die Wärmewende dienen. Mit diesem Fokus wurden am nationalen Geothermie-Kongress in Yverdon-les-Bains Schweizer Projekte und Erfahrungen aus Europa präsentiert. Die jeweiligen geologischen Gegebenheiten führen zu angemessenen Lösungen, die im Gesamtsystem mit andern Abwärmequellen und erneuerbaren Energien für eine nachhaltige Versorgung von Agglomerationen mit Wärme und Kälte genutzt werden.

geothermie-tagung-22-nov-2016-bild-01-klDer Untergrund spielt als Partner der Wärmewende eine wichtige Rolle. Diese Tatsache haben Schweizer und ausländische Experten am nationalen Geothermie-Kongress, der am 22. und 23. November 2016 in Yverdon-les-Bains durchgeführt wurde, bestätigt. Heizen und Kühlen mit der Energie aus dem Untergrund und speziell die saisonale Energiespeicherung wurden thematisiert. Herausforderungen sieht man in der Schweiz noch bei den ungenügenden Kenntnissen des tieferen Untergrunds und bei der Projektentwicklung mit jeweils unterschiedlichen lokalen Gegebenheiten. Realisierte Vorhaben mit bereits bestehenden Technologien zeigen jedoch Wege auf und machen die Geothermie zu einem wesentlichen Baustein für die nötige Wärmewende in den Agglomerationen.

Sondenfelder als saisonale Energiespeicher

In der Schweiz wurden bei einigen Gebäudeprojekten in den vergangenen Jahren gross dimensionierte Erdwärmesonden-Felder erstellt, die zum saisonalen Austausch von Wärme und Kälte dienen. Im Rahmen der Planung müssen Energiemengen, Temperaturen, Energiedichte, Regelungsprinzipien und Kosten definiert werden. Dieses Speicherkonzept konnte auch als Bestandteil von Anergienetzen für die Versorgung von Arealen umgesetzt werden. Als bekannteste und noch im Bau befindliche Beispiele gelten der ETH-Campus Hönggerberg in Zürich und die Familienheim-Genossenschaft Zürich. Dort werden einzelne Sondenfelder zur saisonalen Speicherung von Abwärme eingesetzt.

Ein Vergleich von Simulationen solcher Felder mit konkreten Messungen hat ergeben, dass die heute genutzten Planungstools und die angewendeten Sicherheitsmargen realistische Werte ergeben. Entsprechen die Betriebsparameter nicht den angenommenen Planungswerten, so können Abweichungen entstehen und Anlagen aus dem thermischen Gleichgewicht fahren. Dies spielt auch eine wichtige Rolle, falls es in Städten und Agglomerationen immer mehr Erdwärmesonden gibt. Im Hinblick auf den langfristig angestrebten Ausbau der Geothermie-Nutzung in der Stadt Zürich wurden Massnahmen aufgelistet, um eine Regenration des Untergrunds zu erreichen. Abwärmequellen und Sonnenenergie liegen dafür auf der Hand und werden grösseren Sondenlängen vorgezogen.

Am Kongress, an dem sich weit über 200 Teilnehmende einfanden, wurden auch Beispiele aus europäischen Ländern vorgestellt. In Schweden sind zurzeit rund 650 solcher Anlagen mit Sondenfeldern in Betrieb. In Deutschland konnten über zehn Pilotvorhaben installiert werden. So beispielsweise in Crailsheim, wo auf einem ehemaligen Militärgelände eine Wohnsiedlung erstellt wurde. Mit einem zentralen Erdspeicher mit 80 Sonden zu 55 Metern Länge wird sommerliche Sonnenenergie, die mit frei stehenden Kollektoren gesammelt wird, im Boden eingelagert. Ein zusätzlicher Pufferspeicher dient der Zwischenlagerung von Solarwärme am Tag und anschliessender, verlängerter Einspeisung während der Nacht.

Fokus auf den Untergrund der Romandie

In der Romandie sind einige Geothermie-Projekte in Entwicklung, mit welchen die Substitution fossiler Energieträger angestrebt wird. In Lausanne ist seit einigen Jahren eine tiefe Erdwärmesonde in Betrieb, die nun mit einer Koaxial-Sonde verglichen wurde. Es hat sich gezeigt, dass bei einer Tiefe von 800 Metern das koaxiale Konzept Vorteile aufweist. Die Fliessgeschwindigkeit kann erhöht werden und das Innenrohr lässt sich besser isolieren. Weiter westlich gelegen, hat man beim La-Côte-Projekt wenig Informationen zum Untergrund zur Verfügung gehabt und musste deshalb Seismik-Messungen durchführen. Daraufhin konnte in Gland – unweit einer von Ost nach West gerichteten Verwerfung – ein Bohrstandort definiert werden. In einem nächsten Schritt will man in eine mittlere Tiefe vordringen und dabei die Geologie besser kennenlernen. Mitte 2016 wurde ein entsprechendes operatives Unternehmen gegründet (EnergÔ SA), 2017 soll dann das Baugesuch für eine mögliche Dubletten-Anlage als hydrothermales Projekt eingereicht werden.

In Genf bereitet man sich mit GEOTHERMIE2020 auf ein umfangreiches Programm vor. Von 45 bereits bestehenden Bohrungen in der Region flossen Daten für die Modellierung des Untergrunds zusammen. Dabei konnten drei Schichten erkannt werden, die sich für eine geothermische Nutzung eignen könnten. Im untiefen Bereich bestehen Aquifere, die man für Free-Cooling nutzen kann. Die beiden andern Horizonte liegen tiefer und würden sich bei ausreichender Wassermenge für hydrothermale Systeme eignen. In Genf sollen nun erste Pilotprojekte im untiefen Bereich geplant werden. Mit tieferen Explorationsbohrungen werden dann weitere reale Daten erfasst werden. Ab 2018 rechnen die Projektanten mit ersten Bohrungen auf mehr als 1’000 Metern Tiefe. Als Ziel sieht man bei GEOTHERMIE2020 stets die kombinierte, synergetische Nutzung von Erdwärme, Sonnenenergie und Abwärmequellen vor.

Vorhandene Strukturen wirtschaftlich nutzen

Tiefenbohrungen sind mit Fündigkeitsrisiken behaftet – dies mussten Schweizer Projektanten in den letzten Jahren schmerzlich erfahren. Die Tiefbohrung Triemli in Zürich konnte als Alternative zum angestrebten Hydrothermal-Vorhaben mit einer tiefen Erdwärmesonde (TEWS) ausgestattet werden. Aufgrund einer hier durchgeführten Analyse steht heute fest: Tiefe Erdwärmesonden rechnen sich als Plan B sowohl technisch als auch ökonomisch. Mit einer geeigneten Planung und zunehmender Erfahrung lassen sich mit solchen Bohrungen konkurrenzfähige Wärmekosten erreichen. Ein Plan B ist also sinnvoll.

Sind Strukturen im Untergrund bereits vorhanden, wird die Speicherung von Abwärme und Nutzung der vorhandenen Erdwärme zu einem interessanten Geschäftsmodell. In den Niederlanden konnte so eine still gelegte Kohlenmine zum erneuerten Einsatz gebracht werden. Minewater in Heerlen hat vor zehn Jahren angefangen, die Schächte als Wärmereservoir zu nutzen. Hier findet somit eine Energietransformation statt: von der Kohle zur Erdwärme. Im Weiteren hat man in den Niederlanden begonnen, Geothermie für die Gewächshaus-Erwärmung einzusetzen und damit Erdgas zu ersetzen. Ein wesentlicher Schlüssel für diese Entwicklung sind einerseits ideale geologische Bedingungen mit zahlreichen, mächtigen Grundwasserleitern, umfangreiche Kenntnisse des Untergrunds durch die zahlreichen Gasbohrungen, anderseits eine Risikoabdeckung durch staatliche Mittel sowie gezielte Förderinstrumente.

Seit 1850 erkennt man in den geologischen Formationen im Pariser Becken die Chance zur Erstellung von hydrothermalen Anlagen. Hier sind die Verantwortlichen inzwischen mit den konkreten Herausforderungen eines langfristigen Betriebs vertraut. Einerseits stellen die eingebauten Filtersysteme hohe Anforderungen, anderseits sind enge städtische Platzverhältnisse und der erforderliche Lärmschutz beim 24-Stunden-Bohren zu berücksichtigen. Trotzdem bleibt die Geothermie ein wichtiger Bestandteil der Pariser Wärmeversorgung.

 2000 Anlagen zur Kältespeicherung in Betrieb

Der Qualität von Grundwasser wird hohe Bedeutung zugemessen, falls dieses als Basis für die Trinkwasserversorgung gilt. In Norddeutschland bestehen tiefer liegende Aquifere oft aus salzhaltigem Wasser, das sich nur für eine energetische Nutzung eignet. Als Beispiel wurde das Wärme-Kälte-Versorgungssystem um den Berliner Reichstag vorgestellt. Mit 2 x 7 Bohrungen wird Umweltkälte in ein Aquifer von 60 Metern Tiefe gebracht, während mit zwei 300 Meter tiefen Bohrungen in porösem Sandstein Wärme gespeichert wird. Diese stammt beim Energieverbund im Spreebogen aus einem Strom-geführten Blockheizkraftwerk.

Aquifer Thermal Energy Storage (ATES) spielt in Nordeuropa bereits eine wichtige Rolle und verspricht für die Wärme- und Kälteversorgung in Städten ein beachtliches Potenzial. Im Gesamtverbund mit Abwärmequellen und erneuerbaren Wärmeerzeugern lassen sich geeignete Lösungen zur Reduktion von CO2-Emissionen schaffen. In den Niederlanden hat man beispielsweise erkannt, dass die sommerliche Kühlung durch ATES wettbewerbsfähig ist und konventionelle Kühlanlagen ersetzen kann. Dies wird durch die Tatsache begünstigt, dass die aufgrund der Erdgasförderung ausgelösten Beben zunehmend auf Opposition stossen und auch deshalb eine Abkehr vom Erdgas gefordert wird. Inzwischen sind rund 2’000 Anlagen zur Kältespeicherung in Betrieb.

Umsetzung und weitere Forschungsaktivitäten

Die Energiespeicherung im Untergrund hat sich in den vergangenen 50 Jahren in Europa schrittweise entwickelt. Angepasste Technologien stehen zur Verfügung und werden auch zunehmend eingesetzt. Die Steigerungsraten sind deutlich, das Potenzial zur Unterstützung der Wärmewende offensichtlich. Die Fähigkeit zur zusätzlichen saisonalen Wärmespeicherung stösst Türen auf. Sowohl Niedertemperatursysteme als auch das Vordringen in grössere Tiefen und zu höheren Temperaturen zeichnen die geothermischen Aktivitäten aus. Und die Forschung geht konsequent weiter. In der Schweiz wird die Geothermie gezielt im Kompetenzzentrum SCCER-SoE behandelt. Die Forscher an der ETH Zürich entwickeln alternative Bohrverfahren, dies im Hinblick auf den hohen Kostenanteil konventioneller Techniken. Mit dem Flammenbohren zerbricht man die Oberfläche kristalliner Gesteine, die empfindlich auf thermische Spannungen reagieren. Durchgeführt wurden bereits Labortests und konstruktive Überlegungen zur Integration in Bohrmeissel.

RTS: La géothermie est une des énergies renouvelables alternatives au nucléaire

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