Verbundsynthese Geothermie

Forschung zeigt: Die Voraussetzungen für die mitteltiefe Geothermie in der Schweiz sind gut

11.03.2020

Die Nationalen Forschungsprogramme «Energiewende» (NFP 70) und «Steuerung des Energieverbrauchs» (NFP 71) sind abgeschlossen. Fazit: Der Schweizer Untergrund bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Umsetzung der Energiestrategie 2050 zu unterstützen.

Im Verbundprojekt «Wasserkraft und Geothermie» wurde vor allem der Frage nachgegangen, wo sich in der Schweiz geeignete Bodenschichten finden, die die Anforderungen der verschiedenen Nutzungen optimal erfüllen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt betraf Massnahmen zur Reduktion der durch Tiefenbohrungen induzierten Seismizität und der daraus folgenden Schäden an Bauten. Im Weiteren wurden Modelle und Simulationen entwickelt, die zu einem besseren Verständnis der Vorgänge im Untergrund bei der Erschliessung und Nutzung der geothermischen Ressourcen beitragen.

Potenzial für die mitteltiefe Geothermie ist gross
Zusammengefasst zeigen die Forschungsergebnisse der Verbundsynthese Geothermie, dass in der Schweiz gute Voraussetzungen vorhanden sind für die Nutzung der mitteltiefen Geothermie (1-3 km), sowohl für den Gebäudepark als auch für industrielle Prozesse. Dabei haben sich die Forschenden lediglich auf eine der potenziell interessanten Schichten konzentriert: Im Projekt «Tief liegende Wärmereservoirs» wurde zum Beispiel die Eignung des Trigonodus-Dolomit-Aquifers im Oberen Muschelkalk für die Produktion von Wärme und Strom eingehender untersucht. Für die geothermische Nutzung interessante, durchlässige Schichten finden sich jedoch auch in Formationen aus der Jura- und Kreidezeit.

Eignung des Trigonodus-Dolomit-Aquifers im Oberen Muschelkalk für die Produktion von Wärme und Strom

Eignung des Trigonodus-Dolomit-Aquifers im Oberen Muschelkalk für die Produktion von Wärme und Strom (Quelle: Larryn Diamond, Universität Bern)

Der Untergrund bietet noch mehr
Auch in Bezug auf die saisonale Speicherung von Wärme und Gasen sehen die Forschenden ein grosses Potenzial. Für die definitive Einlagerung von CO2 in relevanten Mengen sind die Voraussetzungen in der Schweiz hingegen limitiert. Für die geothermische Stromproduktion wird keine abschliessende Aussage gemacht – zu unbekannt sei hierzulande der tiefe Untergrund.

Vier Kernbotschaften…
Der Untergrund kann und wird aller Voraussicht nach im künftigen Schweizer Energiesystem eine zentrale Rolle spielen. Aus den Forschungen leiten die Autorinnen und Autoren folgende vier Kernbotschaften ab:

  • Potenzial vorhanden – Die Schweiz hat bei der Nutzung der Erdwärme im oberflächennahen Bereich grosse Fortschritte erzielt. Das Potenzial der vorhandenen Wärmereservoirs in grösseren Tiefen (1-3 km) wird hingegen noch nicht genutzt. Sie sind vor allem für die Einspeisung in Nahwärmenetze und in industrielle Prozesse geeignet. Die Nutzung der Geothermie für die Stromproduktion steckt noch in den Anfängen. Sie kann den Durchbruch aber schaffen, sobald die Risiken von induzierten Erdbeben beherrscht werden.
  • Ganzheitlich angehen – Sowohl die Nutzungsmöglichkeiten zum Wärmebezug, zur Stromproduktion und als Speichermedium als auch die geologischen, hydrogeologischen und tektonischen Gegebenheiten im Untergrund müssen zusammen mit sämtlichen Aspekten der Energieversorgung und der Treibhausgasemissionen ganzheitlich und unter Beachtung der vielfältigen Abhängigkeiten angegangen werden. Nur so lassen sich optimale Lösungen finden.
  • Breite Akzeptanz notwendig – Ohne das Einverständnis der Bevölkerung können die grossen Potenziale der tiefen Geothermie nicht genutzt werden. Um die notwendige breite Akzeptanz für die Technologien und für konkrete Vorhaben zu erreichen, muss die Bevölkerung frühzeitig in die entsprechenden Projekte einbezogen und umfassend über die Vor- und Nachteile informiert werden. Die Forschung zeigt: Bürgerinnen und Bürger sind sehr gut in der Lage, auf der Grundlage von vollständigen und verständlich kommunizierten Fakten eine rationale Interessensabwägung zwischen verschiedenen Optionen zur langfristigen Sicherstellung einer wirtschaftlich und ökologisch verträglichen Energieversorgung vorzunehmen.
  • Prioritäten setzen – Um den fundamentalen Umbau des Schweizer Energiesystems in den nächsten Jahrzehnten möglichst wirkungsvoll zu unterstützen, müssen bei der Nutzung des Untergrundes klare Prioritäten gesetzt werden:
    1. Die Gewinnung von Wärme aus mittleren Tiefen (1–3 km) zur substanziellen Reduktion des CO2-Ausstosses.
    2. Die Abtrennung von CO2 an bedeutenden Punktquellen wie Zementwerken und Kehrichtverbrennungsanlagen und die sinnvolle Nutzung des CO2 oder dessen dauerhafte Einlagerung.
    3. Der Ausbau der geothermischen Stromerzeugung zur Deckung des zunehmenden Strombedarfs, der sich aus der Sektorkopplung (zum Beispiel Elektromobilität, Wärmepumpen) ergeben wird.

… und vier Handlungsempfehlungen

  • Die Schweiz braucht eine nationale Strategie für den tiefen Untergrund!
    Um die Transformation des Schweizer Energiesystems möglichst wirkungsvoll zu unterstützen, muss eine umfassende Strategie für den Untergrund formuliert werden – unter Berücksichtigung der Geothermie und aller anderen Nutzungen.
  • Alle Möglichkeiten für eine langfristige CO2-Speicherung nutzen!
    Um das Netto-null-Ziel für die Treibhausgasemissionen erreichen zu können, muss CO2 aus der Biosphäre entfernt, sinnvoll umgewandelt oder im Untergrund dauerhaft gelagert werden.
  • Geothermische Stromerzeugung dringend demonstrieren!
    Für die hydrothermale und die petrothermale Geothermie sind zwei Pilotprojekte am Start: Lavey-les-Bains (VD) und Haute-Sorne (JU). Mit ihnen müssen nun die in den letzten Jahren in der Forschung erarbeiteten grossen Fortschritte bei der Minimierung der seismischen Risiken in der Praxis demonstriert werden.
  • Öffentliche Fördermassnahmen sind wichtig und sinnvoll!
    Die mitteltiefe und tiefe Geothermie befindet sich in vielen Bereichen in einem frühen Entwicklungsstadium und kann darum die notwendigen Investitionen noch nicht im freien Markt generieren. Um ihre Weiterentwicklung zu beschleunigen, ist eine gezielte Unterstützung durch den Bund und die Kantone unabdingbar.

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