Erdbebenrisiko

Geothermie und Erdbeben

Wer Erdwärme privat für sich zu Hause oder für sein Unternehmen nutzt, ist vor Erdbeben gefeit. Wissenschaft und Erfahrungen zeigen: die untiefe Geothermie birgt kein Erdbebenrisiko. Bei tiefer Geothermie hingegen lassen sich Erdbeben nicht ausschliessen. Das zeigten die Tief-Bohrungen in Basel (2006) und St. Gallen (2013). Erschütterungen wie damals mit einer Stärke von 3.4 respektive 3.5 auf der Richterskala beunruhigen.

Erdbeben sind normal
In der Schweiz bebt die Erde praktisch jeden Tag. Die meisten Erschütterungen sind nicht oder kaum spürbar (Mikrobeben). Alle registrierten Beben sind online beim Schweizerischen Erdbebendienst (SED) einsehbar. 

Zwischen 1980 und 2014 gab es in der Schweiz und im angrenzenden Ausland laut SED 16’710 Beben. 262 davon erreichten eine Stärke von über 3. Im Schnitt gibt es in der Schweiz jährlich etwa zehn spürbare Erdbeben. Spürbar sind Beben ungefähr ab einer Magnitude von 2.5. Rund alle 8 bis 15 Jahre ist mit einem Beben mit einer Stärke von mindestens 5 zu rechnen. Stärkere Beben von etwa 6 treten noch alle 50 bis 150 Jahre auf.

Erdbeben erfolgen überraschend. Sie sind oft kurz. Der Boden zittert. Manchmal ertönt ein lauter Knall ertönt. Solche Ereignisse sind wir nicht gewohnt. Genau das aber erschreckt uns. Zudem denken wir beim Wort «Erdbeben» immer gleich an die grössten Beben mit ihren verheerenden Folgen.

Erdbeben können in der Schweiz jederzeit und überall auftreten. Am höchsten ist die Gefährdung im Wallis, in den Kantonen Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Graubünden sowie im St. Galler Rheintal und in der Zentralschweiz.

Natürliche Beben sind viel häufiger als künstliche
Gehen Beben auf menschliches Tun zurück, reagiert die Öffentlichkeit verständlicherweise heftig. Solche Beben werden oft als stark verspürt, weil sie sehr flach sind und sich in der Nähe urbaner Zentren ereignen. Dass sich die Natur gegen Eingriffe wehrt, scheint Vielen plausibel. Zweieinhalb Wochen vor den Tiefengeothermie-Erschütterungen in St. Gallen bebte auch in Delémont die Erde in vergleichbarer Stärke. Doch das Beben war natürlichen Ursprungs. Medial gab es ausser ein paar Zweizeilern in Lokalzeitungen keine Reaktionen. Auch andere natürliche Beben wie in Sion (2015: 3), Biel (2015: 3.1) oder Buchs (2009: 4.1) lösten kaum Reaktionen aus.

Natürliche und künstliche Erdbeben in Zentraleuropa

Quelle: Grünthal, Gottfried: Induced seismicity related to geothermal projects versus natural tectonic earthquakes and other types of induced seismic events in Central Europe, in Geothermics, 52, S. 22–35, 2014

Erdbeben bei Tiefengeothermie-Projekten können entstehen, wenn sich zum Beispiel der Porendruck im Untergrund rasch ändert, etwa wenn Wasser in den Untergrund gepumpt wird oder beim Ausfall einer Pumpe. Selbst beim deutschen Tiefengeothermie-Vorzeigekraftwerk in Unterhaching bei München gab es 2007 Erschütterungen.

Greift der Mensch in den Untergrund ein, sind Beben möglich. So rüttelte die Erde etwa auch beim Bau des Gotthard-Basistunnels, beim langjährigen Gesteinsabbau am Walensee oder beim Aufstauen von Stauseen wie unter andern bei den Seen Salanfe und Emosson im Wallis oder Vogorno im Tessiner Verzascatal.

Im Alltag können auch Schwersttransporter, das Rammen von Pfählen oder Presslufthämmer ganz lokale Erschütterungen hervorrufen. Selbst langer Starkregen kann – wie im Sommer 2003 in der Schweiz – kleine Erdbeben auslösen.

Beispiele von Schweizer Beben mit Stärken über 3
Ort/DatumMagnitudeUrsprung
Biel (BE)
31.01.15
3.1natürlich
Walenstadt (SG)
14.11.14
3.1natürlich
St. Gallen (SG)/Herisau (AR)
20.07.13
3.5künstlich
Delémont (JU)
03.07.13
3.3natürlich
Zug (ZG)
24.02.12
3.5natürlich
Zug (ZG)
11.02.12
4.2natürlich
Filisur (GR)
02.01.12
3.5natürlich
Filisur (GR)
01.01.12
3.3natürlich
Delémont (JU)
27.12.11
3.1natürlich
Sierre (VS)
08.01.11
3.2/3.3natürlich
Moudon (VD)
12.11.10
3.0natürlich
Bivio (GR)
11.09.09
3.6natürlich
Buchs (SG)
17.01.09
3.0natürlich
Buchs (SG)
04.01.09
4.1natürlich
Basel (BS)
08.12.06
3.4künstlich
Quelle: Schweizerischer Erdbebendienst (SED)

Stärke und Auswirkungen von Erdbeben

Die Magnitude auf der logarithmischen Richterskala ist das übliche Mass für die Stärke eines Erdbebens. Je nach Stärke wird innert Sekunden mehr oder weniger Energie freigesetzt. Ändert sich die Magnitude um 1, legt die Energie um das 30-fache zu. Ändert sie sich um 2, ist die Energie bereits 1000 mal grösser, ändert sie sich um 4, wird gar eine Million mal mehr Energie frei. Das heisst: ein Beben zum Beispiel mit Magnitude 6 ist nicht doppelt so stark wie eines mit Magnitude 3, sondern rund 30’000 mal energiereicher. Zur Veranschaulichung dient auch folgendes Bild: Wenn bei einem Beben der Magnitude 6 die freigesetzte Energie 100 Metern entspricht, sind es bei einer Magnitude von 3 bloss 3.2 Millimeter.

Die Intensität beschreibt die Auswirkungen eines Bebens an der Erdoberfläche. Die Skala reicht von I bis XII. Ob ein Beben mehr oder weniger spürbar ist, hängt auch davon ab, wie tief im Untergrund es stattgefunden hat (Hypozentrum) und wie der Untergrund beschaffen ist. Auf weichem Untergrund – dazu gehören Ablagerungen ehemaliger Seen und unverfestigte Sedimente in Tälern – sind die Bodenbewegungen deutlicher als auf felsigem Gestein und damit auch die Auswirkungen grösser. An der Erdoberfläche des Hypozentrums liegt das Epizentrum.

So wirken Erdbeben
Magnitude / Wirkung
Beispiele
1
Nicht fühlbar
Nur durch Instrumente nachweisbar.
2
Kaum bemerkbar
Nur sehr vereinzelt von ruhenden Personen wahrgenommen.
3
Schwach verspürt
Von wenigen Personen in Gebäuden wahrgenommen. Ruhende Personen fühlen leichtes Schwingen oder Erschüttern.
4
Deutlich verspürt
Im Freien vereinzelt, in Gebäuden von vielen Personen wahrgenommen. Einige Schlafende erwachen. Geschirr und Fenster klirren. Türen klappern.
5
Stark verspürt
Im Freien von wenigen, in Gebäuden von den meisten Personen wahrgenommen. Viele Schlafende erwachen. Wenige reagieren verängstigt. Gebäude werden insgesamt erschüttert. Hängende Objekte pendeln stark. Kleine Objekte werden verschoben. Türen und Fenster schlagen auf und zu.
5.3 - 5.9
Leichte Gebäudeschäden
Viele Personen erschrecken und flüchten ins Freie. Einige Objekte fallen um. An vielen Häusern, vornehmlich in schlechterem Zustand, entstehen leichte Schäden (feine Mauerrisse, Abfallen von kleinen Verputzteilen).
6.0 - 6.9
Mittlere Gebäudeschäden
Viele Personen erschrecken und flüchten ins Freie. Möbel werden verschoben. Viele Objekte fallen aus Regalen. An vielen Häusern soliderer Bauart gibt es mässige Schäden (kleinere Mauerrisse, Abfallen von Putz, Herabfallen von Schornsteinen). Vornehmlich Gebäude in schlechterem Zustand zeigen grössere Mauerrisse und Zwischenwände können einstürzen.
7.0 - 7.3
Schwere Gebäudeschäden
Viele Personen verlieren das Gleichgewicht. An vielen Gebäuden einfacher Bausubstanz treten schwere Schäden auf (Giebelteile und Dachgesimse stürzen ein). Einige Gebäude sehr einfacher Bauart stürzen ein.
7.4 - 7.7
Zerstörend
Allgemeine Panik. Sogar gut gebaute Bauten zeigen sehr schwere Schäden, Teilweise Einsturz tragender Bauteile. Viele schwächere Bauten stützen ein.
7.8 - 8.4
Sehr zerstörend
Viele, gut gebaute Häuser werden zerstört oder erleiden schwere Beschädigungen.
8.5 -8.9
Verwüstend
Die meisten Bauten, selbst einige mit gutem, erdbebengerechtem Konstruktionsentwurf und guter -ausführung werden zerstört.
ab 9
Vollständig verwüstend
Nahezu alle Konstruktionen werden zerstört. Landschaftsverändernd.
Der Zusammenhang zwischen der Magnitude eines Erdbebens und den Auswirkungen an der Erdoberfläche sind grob. Neben der Magnitude sind noch bestimmte ortsspezifische Faktoren bedeutend, so zum Beispiel die Entfernung und Tiefe des Erdbebens sowie die Beschaffenheit des Untergrunds. (Quelle: GEOTHERMIE.CH, stark modifiziert nach EMS 1998)

Erdbebenrisiko managen
Weltweit sind zahlreiche Forschungsteams mit der Verbesserung des Managements künstlicher Erdbeben beschäftigt. Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts GEISER und des GEOTHERM-Programms der ETH-Zürich wird bereits seit einigen Jahren intensiv an der Optimierung der Technologie gearbeitet. Zur kontinuierlichen Verbesserung des Risikomanagements von Tiefengeothermie-Projekten hat der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich zudem das Projekt GEOBEST ins Leben gerufen. In Zusammenarbeit mit den Betreibern überwacht der SED mit einem hochempfindlichen Messnetz die bisherigen Schweizer Tiefengeothermie-Projekte. Die erhobenen Daten sind die Basis für möglichst genaue Vorhersagemodelle für künstlich erzeugte Beben. Die Daten erlauben zudem, die Risiken im Verlauf eines Projekts immer wieder neu einzuschätzen und das Vorgehen allenfalls anzupassen. Hauptziel von GEOBEST ist ein auf die Schweiz zugeschnittener Leitfaden für die Überwachung und Risikoabschätzung von Tiefengeothermie-Projekten und die Entwicklung von Massnahmenkonzepten.

Tiefengeothermie: Sichere Technologie
Ob Öl, Gas, Wasser, Kernenergie, Wind, Fotovoltaik oder Geothermie – jede Technologie birgt Risiken und ist mit Interessenskonflikten verbunden. Mit der Energiewende wird uns dies wieder vermehrt bewusst. Absolut betrachtet bergen erneuerbare Energien viel tiefere Risiken als Kernenergie oder fossile Energien. Allerdings erleben wir die Risiken erneuerbarer Energien lokal unmittelbar bei uns. Zudem werden zum Beispiel Erschütterungen durch Tiefengeothermie sofort wahrgenommen, die Folgen der Klimaerwärmung oder radioaktiver Strahlung hingegen nicht. Trotz Erdbebenrisiko gehört die Tiefengeothermie laut einer Studie des Paul Scherrer Instituts (PSI) zu den sichersten Technologien.